Münzen mit Gegenstempeln, Gravuren, Beschädigungen, ...

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Ich sammle seit einiger Zeit Münzen die nach dem Prägen noch verändert wurden. Ich möchte euch nach und nach meine Sammlung zeigen und etwas dazu schreiben, soweit mir bekannt. Es wird vor allem offizielle und inoffizielle Gegenstempel geben sowie Münzen mit Gravuren.
Zeigt natürlich auch gerne eure Sammlungsstücke.

Es geht los mit Spottmünzen auf Napoleon III und seiner Niederlage in der Schlacht bei Sedan.
Ich bin initial davon ausgegangen, dass die Münzen von deutschen Soldaten umgraviert wurden, aber es waren eher Franzosen, die mit der Entscheidung ihres Königs zur Kapitulation nicht einverstanden waren.

Das wirkt aus heutiger Sicht komisch, da die Chancen Frankreichs auf einen Sieg schlecht gewesen wären.

Meistens wurden 5 und 10 Centimes Münzen umgraviert, Napoleon III wurd meist mit Pickelhaube dargestellt und dem Schriftzug "SEDAN". Ich habe auch normale Münzen gesehen, die einfach einen "SEDAN" Gegenstempel hatten.
Die ersten zwei Bilder zeigen eine umgravierte Münze. Die Bilder 3 und 4 zeigen eine Medaille, die den Spottmünzen nachempfunden wurde. Der Umstand dass mehrere verschiedene Medaillen existieren, zeigt, dass diese wohl in größeren Mengen hergestellt wurden.

Die Rückseite der Medaille zeigt eine Eule statt Adler und statt "Empire Français" "Vampire Français".

Da ich mir deren Bedeutung nicht sicher bin, habe ich mal ChatGpt gefragt. Die Antwort war:

"

🦉 Warum eine Eule statt eines Adlers?​


Die Eule war ein bewusst ironischer Gegenentwurf zum kaiserlichen Adler, der traditionell Macht, Herrschaft und imperiale Größe symbolisierte (besonders bei Napoleon I.).


  • Adler = Symbol der Macht, Stärke, militärischer Ruhm (z. B. Reichsadler, römischer Adler, Napoleons Adler).
  • Eule = In diesem Kontext ein Symbol der Schwäche, der Dunkelheit oder auch der List – in der Satire häufig benutzt, um eine entzauberte, nächtliche, beinahe lächerliche Figur zu zeichnen.
  • Die Eule wirkt düster, unheroisch, fast schon gruselig oder vampirisch, passend zur Botschaft.



🧛 „Vampire Français“ – was bedeutet das?​


Der Ausdruck „Vampire Français“ (Französischer Vampir) ist eine metaphorische Anklage:


  • Napoleon III. wird dargestellt als jemand, der das französische Volk aussaugt – politisch, wirtschaftlich und moralisch.
  • Er „saugt das Blut der Nation“, also deren Ressourcen, ihre Kraft und ihren Stolz.
  • Dies reflektiert die Kritik an seinem autoritären Regime, seinen wirtschaftlichen Misserfolgen (z. B. durch Korruption und Vetternwirtschaft) und letztlich seiner katastrophalen Kriegsführung im Deutsch-Französischen Krieg.
"

Zusätzlicher Fun Fact: Das ist das älterste numismatische Stück mit dem Begriff "Vampir" bzw. "Vampire":
 

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Man kann wirklich nicht sagen, dass die Franzosen seinerzeit ihren König lieb hatten.
So ein Vampir in 10 Centimes Größe kam vor nicht all zu langer Zeit auch in meine Sammlung geflattert.

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Das Stück muss nach der Gefangennahme Napoleons III. geprägt worden sein, da mochten die Franzosen ihn nicht mehr so sehr. In dem Text wird ihm vorgeworfen, dass er nicht kämpfend gestorben ist.
 
@moppel65 Tolle Medaille in toller Erhaltung und Patina!

Als nächstes stelle ich diese umgearbeitete Münze vor, die Leopold von Baden zeigt.

Ich bin mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher, ob es auch eine Spottmünze ist, oder ob nur jemand Langeweile hatte oder es andere Gründe für diese Gravur gibt. Ich habe ansonsten keine Spottmünze von Leopold online gefunden.

Falls es eine Spottmünze ist, wäre ein möglicher Anlass:

Zu Beginn seiner Regierungszeit weckte Großherzog Leopold beim Volk hohe Erwartungen an eine politische Wende, da er ein neues Regierungskabinett mit fortschrittlich denkenden Mitgliedern berufen hatte und zu Weihnachten 1831 ein Pressegesetz erließ, das seinesgleichen in Deutschland suchte. Dem Rücknahmedruck konnte Großherzog Leopold im Jahr 1832 nicht standhalten. In den Folgejahren hatte er sich mit dem wachsenden Unmut in der Bevölkerung auseinanderzusetzen, der 1848 in der badischen Revolution eskalierte. Am 13. Mai 1849 floh die großherzogliche Familie nach Koblenz ins Exil. Der Großherzog beantragte Bundeshilfe zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung. Überwiegend preußische Truppen unter dem Oberbefehl des Prinzen von Preußen schlugen die Revolution nieder. Am 18. August 1849 zog Großherzog Leopold mit den Siegern wieder in die Residenzstadt Karlsruhe ein und akzeptierte ohne nennenswerten Widerspruch, dass Preußen, dem die Verantwortung für viele der insgesamt 27 Todesurteile gegen Beteiligte an der badischen Revolution zuzuschreiben ist, die Kontrolle über das Land ausübte.

Quelle: Wikipedia Leopold (Baden) – Wikipedia

Das Prägejahr würde zumindest zum Jahr der Ereignisse passen.

Auch wenn ich sonst keine Spottmünzen gefunden habe, gab es doch diese Karikatur aus der Zeit:
 

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Weiter geht es mit dieser "recycleten" Münze.
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Lustigerweise die gleiche Münze aus dem ersten Post, aber diesmal wurde sie im späten 19. Jahrhundert in Großbritanien genutzt als Werbung für einen Seifenhersteller.

"In den 1860er Jahren wollte Thomas Lipton die Marke Pears bekannter machen, ohne in Zeitungsanzeigen zu investieren. Also nutzte er eine Gesetzeslücke aus. Zu dieser Zeit war die Manipulation britischer Münzen ein schweres Verbrechen. Aber französische Centimes waren in Großbritannien immer auch gesetzliches Zahlungsmittel. Also importierte er 250.000 Centimes und gravierte sie mit „Pears' soap“.

Barratt bezahlte seine Angestellten mit den Centimes, und als diese dann ihren Lohn ausgaben, verbreitete sich seine Werbung in der Gesellschaft. Und das alles, ohne einen Pfennig für Marketing auszugeben.

Schließlich änderte die Regierung das Gesetz, so dass französische Münzen nicht mehr als gesetzliches Zahlungsmittel galten und niemand mehr die gleiche Masche abziehen konnte."
(Quelle: Why we should seek inspiration from marketing rogues - MediaCat UK )

(scheinbar haben aber andere Firmen die Masche vorher noch abgezogen, ich habe nämlich auch andere Firmennamen online auf den Centimes gesehen)
 

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Heute geht es mit alten Gegenstempeln weiter. Ich habe zwei römische Münzen, die schon sehr lange im Umlauf waren.
Ich bin kein Experte, nach meinem Verständnis wurden die Stempel hier genutzt, um die Münzen nach Währungsreformen oder in neuen Gebieten mit neuem Wert weiter zu verwenden. Dies hat man wohl teils bewusste gemacht, nachdem die ursprüngliche Münze durch lange Zirkulation nichtmehr erkennbar war.

Korrigiert mich da aber bitte!

Bei der ersten Münze sind mindestens 4 Gegenstempel, neben einem zu erahnenden Portrait:
Römer1a.webp
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Das "AVG" auf 3 Uhr dürfte für Augustus stehen. Laut dieser Seite:
stammt der Stempel aus Moesia, was im Balkangebiet liegt.

Bei der zweiten Münze gibt es einen Gegenstempel, die vielleicht einen anderen Herrscher zeigt, unter dem die alte Münze weiter gültig war? Reine Spekulation meinerseits.
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Römer2b.webp


Alle Stempel wurden um das ursprüngliche Portrait gemacht, was man als Zeichen des Respekts gegenüber dem gezeigten Herrscher interpretieren könnte.

Falls hier einige unserer "Antiken" Experten mehr Infos oder Vermutungen dazu haben, welche Herrscher auf den Münzen zu sehen sind (bei der unteren sieht man ja noch etwas mehr) oder was die Stempel bedeuten, würde ich mich über Kommentare freuen. @mesodor39 vielleicht?
 
Es gibt diese Gegenstempel, meist auf alten, extrem lang umgelaufenen und entsprechend abgenutzten Münzen. Ernweder vom Staat allgemein oder von einer Legion, damit diese Münzen, weit ab von Rom, wieder offiziell als römisches Geld erkennbar und damit umnlauffähig gemacht werden. Dann gibt es noch Gegenstempel auf besser erhaltenen Münzen, um diese in Regionen umlauffähig zu machen, in denen meist lokales Geld unläuft. Und es gibt Geldwechslerpunzen. Ich bin kein Speziallist auf dem Gebiet.
 
Es gibt diese Gegenstempel, meist auf alten, extrem lang umgelaufenen und entsprechend abgenutzten Münzen. Ernweder vom Staat allgemein oder von einer Legion, damit diese Münzen, weit ab von Rom, wieder offiziell als römisches Geld erkennbar und damit umnlauffähig gemacht werden. Dann gibt es noch Gegenstempel auf besser erhaltenen Münzen, um diese in Regionen umlauffähig zu machen, in denen meist lokales Geld unläuft. Und es gibt Geldwechslerpunzen. Ich bin kein Speziallist auf dem Gebiet.
Vielen Dank dir, für die Antwort!
 
Weiter geht es mit einer französischen Münze mit offiziellem Gegenstempel.
Die Münze ist / war ein Douzain, geprägt unter Heinrich IV (1593-1596).
Ein Douzain ("Zwölfer") hatte den Wert von 1/20 Livre tournois. Durch den Gegenstempel, einer Fleur de lis, wurde die Münze zu einem Quinzain (einem "Sechzehner") und hatte damit einen Wert von 1/16 Livre tournois.
Diese Reform war von 1640 unter Ludwig XIII.

Manche dieser Münzen wurden wohl auch für die nordamerikanischen französischen Kolonien benutzt, ob das bei dieser der Fall war, ist mir aber nicht bekannt (ich vermute eher nicht).

Man sieht auf jeden Fall, dass die Münze schon vor dem Gegenstempel ca 45 Jahre im Einsatz war und danach scheinbar noch weiter genutzt wurde.

Frankreich1a.webp
Frankreich1b.webp


Katalogeinträge mit besseren Erhaltungen:
 
Olle Kamellen, denen ein neues Leben geschenkt wurde, waren das Recycling von damals.
1767 wurde ein Klumpen Kupfer in Frankreich zu einer Münze geprägt, deren Wert 1 Sol (=12 Deniers) war.
Gebraucht wurde das Teil in der Karibik.
Etwa 26 Jahre später, der auf der Münze genannte L 15 war schon 19 Jahre tot und sein Nachfolger war inzwischen auch völlig kopflos, wurde die Buchstabenkombination RF modern. Die königlichen Lilien wurden damit überprägt und schon wurde aus 12 Deniers 45 Deniers. Das schimpfte sich dann 3 Sols und 9 Deniers und lief auf Guadeloupe um.

Zur bildlichen Verdeutlichung:
aus diesem Stück
wurde dieses Stück

Am 12.09.2021 hatte ich mein Exemplar hier im Forum vorgestellt

Ist ein "Quinzain" nicht ein 15er? Ein 16er müsste doch "Seizain" oder so ähnlich heißen.
 
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