Lauter alte Steine - Anatolien 2024

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Ich war mal wieder alte Steine angucken...
Wer mit auf die Reise kommen möchte, kann für die nächsten Tage wieder seinen Koffer packen. Dicke Sachen dürfen zu Hause bleiben, es wird ein bisschen mehr Sommer geben, als an der dänischen Nordseeküste. Es geht viel mehr nach:

Anatolien

Disclaimer: eigentlich ist das ungenau. Umgangssprachlich ist Anatolien der ganze asiatische Teil der Türkei, aber eigentlich endet Anatolien am Euphrat. Der Einfachheit halber bleibe ich aber bei der Überschrift, auch wenn's noch etwas weiter geht.

Samstag, 03.08.2024 - Merhaba

Eigentlich hatte ich die Reise schon in der Grundstruktur für Ostern 2020 geplant. Aber irgendwas ist mir damals dazwischen gekommen... Jetzt dachte ich mir, greife ich den alten Plan noch einmal auf, feile dran rum und fliege einfach mal los. Mit Pegasus geht es von Berlin direkt nach Ankara. Geflügelte Pferde können recht störrisch sein und so gab es auch gleich erst einmal eine Stunde Verspätung. Und so wenig Beinfreiheit hatte ich bisher auch noch nie. Ob ich mit denen noch einmal fliegen werde, muss ich mir genau überlegen.

Immerhin war der Flug ansonsten gut und es gab einen schönen Blick auf die beleuchteten Bosporusbrücken. Auch die Einreise in Ankara war unkompliziert. Nur die Handyläden sind die reinsten Straßenräuber. 50€ für eine SIM-Karte!!! Da der Flughafen Ankara Esenboğa ziemlich weit draußen liegt gibt es noch eine längere Fahrt mit dem Shuttlebus und einen kurzen Fußmarsch bis zum Hotel, das malerisch direkt neben der Melike Hatun Moschee liegt. Weniger malerisch ist, dass dann auch der Muezzinruf um viertel fünf direkt neben dem Kopfkissen erschallt.

Sonntag, 04.08.2024 - Die etwas andere Hauptstadt

Gemeinhin ziehts den Touristen ja eher nach Istanbul, doch das ist schon lange nicht mehr die Hauptstadt des Landes. Um sich vom osmanischen Erbe zu distanzieren verlegte Atatürk die Hauptstadt noch vor Republikgründung 1923 ins anatolische Hochland. In den letzten 100 Jahren ist Ankara dann von 25.000 Einwohnern auf 5,8 Millionen gewachsen. Dementsprechend. Von der ursprünglichen Planung deutscher Architekten, eine Gartenstadt zu errichten, ist allerdings nicht mehr viel übrig.

Meinen Stadtrundgang starte ich an den Caracalla-Thermen. Denn natürlich waren auch die Römer schon hier. Damals hieß die Stadt noch Angora (Heimat der Angorakatzen). Die Thermen stammen vermutlich aus der Zeit Kaiser Caracallas (211-17) und waren etwa 500 Jahre in Benutzung. Auch wenn noch im 19. Jh. große Teile der Bebauung erhalten gewesen sein sollen, stehen jetzt nur noch die Grundmauern. Sehr schön sieht man allerdings das Hypokaustum, die alte Fußbodenheizung.

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In römischer Zeit hätte ich nun auf einer ladengesäumten Säulenstraße bis zum Augustustempel gehen können. Von der Säulenstraße ist nur noch ein kläglicher Rest vorhanden, vom Tempel der Roma und des Augustus ein wenig mehr. Das besondere ist die hier angebrachte Inschrift der Res gestae divi Augusti, des Rechenschaftsberichtes des ersten römischen Kaisers Augustus. Hierbei handelt es sich um die einzige vollständig erhaltene Version.

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Nach Republikgründung war es Atatürk ein Bedürfnis nachzuweisen, dass schon immer Turkvölker in der Türkei gesiedelt haben, u.a. auch dass die Hethiter ein Turkvolk waren. Für sie wurde in den 1930er Jahren das Hethitermuseum eröffnet. Die Turktheorie hat sich zerschlagen und das Museum hat seinen Blick auch für andere anatolische Zivilisationen geöffnet. Die ältesten Exponate sind über 400.000 Jahre alt. Das Museum lohnt sich für Freunde alter Steine absolut. Die (größeren) türkischen Museen sind auch mit einem guten Audioguidesystem ausgestattet. Allerdings muss man sich das nicht für 350 Lira an der Kasse aufschwatzen lassen, denn da bekommt man nur ein paar Bluetoothkopfhörer. Man kann auch ganz kostenfrei die eigenen Kopfhörer nutzen, da der Audioguide über eine App läuft, die man mit seiner normalen Eintrittskarte aktiviert. Das Lehrgeld habe ich aber nur einmal gezahlt.
Immer wieder faszinierend finde ich auch die ganzen Keilschrifttafeln, die ausgestellt sind. Hier gab es teilweise Übersetzungen, und Inhaltszusammenfassungen. Natürlich ist es wie mit jeder anderen Schrift, aber es ist Wahnsinn, dass da jemand aus den sehr kleinen und eng aneinandergesetzten Kerben etwas herauslesen kann.

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Ankara kannte ich bisher nur im Vorbeifahren, endlos monotone Reihenhaussiedlungen entlang der Autobahn.
Jetzt steife ich nun durch die Gassen... Oder besser: klettere. Wer hätte gedacht, dass Ankara so bergig ist. Der Aufstieg zur Zitadelle ist schweißtreibend. Und das ist nur zum Teil dem Wetter geschuldet (zur Zeit nur 32°C). Dafür werde ich oben mit einem tollen Panoramablick belohnt. Rund um den Burghügel wird die Altstadt langsam restauriert - strahlend weiße Häuser und enge Gassen.

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Auch sehr schön... Für den stilbewussten Innenausstatter wird das Grammophon in die Moderne gerettet

Ankara hat viele Moscheen, aber nicht alle sehen so aus, wie der typische von der Hagia Sophia inspirierte osmanische Kuppelbau. Die Aslanhane, bzw. Ahi Şerafettin Moschee stammt noch von den Seldschuken - die stammen ursprünglich aus Mittelasien - und ist eine der ältesten erhaltenen Moscheen in der Türkei. Die dunklen Holzsäulen schaffen eine angenehme Atmosphäre.

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Eigentlich wollte ich nun noch zum Anıtkabir, dem Atatürkmausoleum, aber als ich davor stehe, schließt das Ding gerade. Das muss ich dann wohl auf morgen verschieben. Zumindest aus der Ferne lugt es schon einmal über die Dächer.


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Nachdem mich der Muezzin ja nun schon nach vier aus dem Bett geschmissen hat, schaue ich zumindest auch noch einmal in seine Moschee - Melike Hatun, nagelneu und diesmal klischeetürkische Architektur. Und zum Tagesabschluss geht's dann noch in den Gençlik Parkı, den Rest des Planes, Ankara zur grünen Oase in der zentralanatolischen Steppe zu machen.

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Auf dem Rückweg zum Hotel komme ich dann noch an zwei Parlamenten vorbei. Das Osmanische Reich war ja schon länger der kranke Mann am Bosporus. Mit dem Ende des ersten Weltkrieges ist der Patient schließlich auch gestorben und die Siegermächte haben in den Pariser Vorortverträgen angefangen den Leichnam zu zerstückeln. Die Armenier sollten einen Großteil Ostanatoliens erhalten, ein autonomer Kurdenstaat sollte entstehen... Dagegen formte sich schnell Widerstand unter Atatürk. Mit einigen Zwischenschritten und Konferenzen wurde 1920 die "große Nationalversammlung" in Ankara einberufen, das erste Parlament. Gleichzeitig existierte die Hohe Pforte des Sultans aber noch. Erst 1923 wurde die Republik aufgerufen. Die große Nationalversammlung musste aber aus Platzgründen schon 1924 in ein neues Gebäude umziehen. 1960 schließlich folgte Parlament Nummer drei, aber das ist in einer anderen Ecke Ankaras.

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Montag, 05.08.2024 - Tausendundeine Medrese

Das wird ja ein unfreiwillig fauler und entspannter Vormittag...
Eigentlich wollte ich nur schnell das Gepäck am Bahnhof abladen und hoch zum Atatürk-Mausoleum. Nur dummerweise hat der Automat 'ne Fehlfunktion und nach dem Bezahlen kommt kein Ticket, mit dem ich das Fach später hätte wieder öffnen können. Also erstmal Hilfe suchen und warten. Jetzt lohnt es sich auch nicht mehr zum Anıtkabir zu gehen. Dann eben ein Eiskaffee auf dem Dach des riesigen neuen Hochgeschwindigkeitsbahnhofs Ankara YHT Garı. YHT = Yüksek Hızlı Tren (Hochgeschwindigkeitszug)
Seit einigen Jahren baut die Türkei ihr Bahnnetz aus. 2023 wurde die Hochgeschwindigkeitsstrecke Ankara - Sivas eröffnet. 10,5 h Fahrzeit verkürzen sich auf 2,5. Die Strecke ist Teil eines größeren Projektes, der Verbindung Istanbul-Baku. Güterzüge fahren schon, nur der geplante grenzüberschreitende Personenverkehr findet noch nicht statt. Kritik gibt's auch von Armenien, weil eine bestehende deutlich kürzere Verbindung über Armenien nicht genutzt und das Land so noch mehr isoliert wird.

Auf die 2,5 h Fahrzeit komme ich nicht. Der Zug ist etwas langsamer unterwegs. Möglicherweise liegt es an der Qualität der Strecke? Als ich das Ticket buchen wollte, gab es ab Mitte Juli keine Fahrten mehr. Was ich mir aus der türkischen Presse zusammengereimt habe, klang danach, dass es wohl Mängel an den Schwellen gab. Jetzt fährt die Bahn doch wieder, aber eben langsamer. Die Fahrt geht anfangs ausnahmslos durch beigebraune Steppe und Grasland mit vereinzelten Koniferen. Später kommt dann noch Landwirtschaft dazu und bewaldete Hügel. Der Zug entspricht einem deutschen ICE und preislich sind die Fahrten durch die Türkei auch ganz okay, da kann ich mir die erste Klasse gönnen. Außerdem gibt's da Service am Platz mit Getränk und Lunchbox inklusive.

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Mit nur fünf Minuten Verspätung komme ich an. Das klappt ja schon ganz gut. Auch die Temperaturen in Sivas sind etwas angenehmer, da ein schönes Lüftchen weht.

Hier in Sivas haben die Hethiter auch schon gesiedelt, aber um die soll es heute mal nicht gehen. Den Namen hat die Stadt zu Ehren von Kaiser Augustus bekommen. Auf griechisch lautet sein Name Sebastos und der Ort wurde zu Sebasteia. Mit der Zeit verschliff sich das zu Sivas.

Nach Augustus spulen wir die Zeit jetzt ein Stückchen weiter vor und teilen das Römische Reich einmal, sodass wir uns nun in Byzanz befinden. Von Osten her war das byzantinische Reich immer wieder in Bedrängnis. Bevor die Osmanen kamen, etablierten sich in Zentralanatolien allerdings die Rum-Seldschuken. Rūm geht auf die Rhomäer zurück, die kleinasiatischen Bewohner Ostroms und die Seldschuken sind ein oghusisches Volk, dass aus der Gegend um den Aralsee stammt. Sivas wurde neben Konya zeitweilig Hauptstadt der Rum-Seldschuken.
Zwar ist Sivas heute eine moderne Stadt, aber einige Zeugnisse der Seldschuken haben sich erhalten, z.B. die Gök Medrese. Ihren Namen, blaue Medrese, hat sie vom Dekor der Minarette. Heute ist Montag, da hat das Museum leider geschlossen. Aber wahrscheinlich wäre ich eh zu spät dran, die Museen scheinen hier alle 17.00 zu schließen.
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Sivas war zu seldschukischer und osmanischer Zeit ein wichtiges Bildungszentrum. Dementsprechend gibt's im Zentrum noch mehr sehr sehenswerte Medresen, die Buruciye Medrese, die Şifaiye Medrese und die Çifte Minareli Medrese, die nur noch als Ruine steht.

Abends ist hier der Teufel los. Man läuft und sitzt, trinkt Tee, isst Maiskolben und Simit... Und zwischen den Beinen fahren die Kinder mit Mini-Autos.

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Neben den Medresen gibt's aber auch Kommerz, nämlich im Taşhan, einem alten Basar aus dem 19. Jh. Hier gibt's hauptsächlich Taschen (kein Witz). Nebenan ist noch eine zweite Karawanserei für Gewürze, der Vakıf Su Başı Hanı aus dem 16. Jh.
Witzig ist auch, dass man hier vor den Fenstern oft Paprikagirlanden sieht, wahrscheinlich zum Trocknen aufgefädelt.

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Zwischendurch gibt es auch noch ein bisschen republikanische Geschichte: im September 1919 wurde der Sivas Kongress abgehalten, der Vertreter der einzelnen anatolischen Regionen zusammen brachte und wichtige Entscheidungen traf im Unabhängigkeitskrieg gehen die drohende Aufteilung der Türkei. Das ehemalige Schulgebäude, in dem der Kongress tagte, beherbergt jetzt ein Museum.

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Noch ein kurzer Blick in die Große Moschee geworfen und schon geht es Abendessen. Mit englisch ist es in Anatolien etwas schwierig, aber man versteht sich trotzdem. Und satt werden ist in der Türkei ja ohnehin einfach. Im Zweifelsfall zücken alle schnell das Handy und lassen übersetzen.

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Wieder ein spannender und sehr informativ geschriebener Reisebericht von unserem Weltenbummler @kaamos, der Appetit auf die Fortsetzung macht.

Es ist immer wieder beeindruckend, wie viel Fachwissen und Länderkunde du uns hier präsentierst, gespickt mit passenden schönen Fotomotiven und den Berichten über persönliche Erlebnisse - danke dafür!
 
Dienstag, 06.08.2024 - Uralte Steine

Frühstück hab ich ausfallen lassen, ich war noch so satt.
Mit dem Auto von Europcar geht's dann die halbe Strecke von gestern wieder zurück. Ursprünglich wollte ich vor Sivas einen Zwischenstopp in Yozgat einlegen, aber da hatte kein Autovermieter auf meine Anfragen reagiert. Und auf "gut Glück" war mir bei meinem durchgetakteten Plan doch etwas heikel. Dann nehme ich eben die ganze Fahrerei in Kauf.
So kann ich aber auch die Landschaft noch einmal richtig genießen. Zwar schickt mich Google zwischendurch über Staubpisten durchs Gebirge, aber schlussendlich komme ich doch noch da an, wo ich hin will...

Bemerkenswert sind auch die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Mehrfach war für PKW 82 km/h ausgeschildert. Das liegt wohl an einer Verordnung, dass Anbindungsstraßen 32% schneller befahren werden dürfen, als die innerorts üblichen 50 km/h.

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Heute bin ich zu Gast bei den Hethitern.
Ob sie kleinasiatische "Ureinwohner" sind oder vom Balkan oder Kaukasus eingewandert sind, ist nicht ganz geklärt. Sicher ist jedoch, dass sie eines der antiken Großreiche bildeten. Umso erstaunlicher, dass sie bis ins 19. Jh. abgesehen von ein paar Bibelzitaten nahezu unbekannt waren. Sie herrschten ca. 1600-1200 v.Chr. in Anatolien, Syrien und dem Libanon. Warum genau sie relativ plötzlich untergingen, ist nicht überliefert. Möglicherweise waren innere Konflikte schuld oder ein Angriff der sogenannten Seevölker, einer Gruppe, über die auch kaum etwas bekannt ist, mit Ausnahme dessen, dass sie wohl zum zusammenbrechen der bronzezeitlichen Handelswege beitrugen.
Meinen Besuch beginne ich in Yazilikaya, einem hethitischen Kultplatz mit beeindruckenden Reliefs.

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Ḫattuša war die Hauptstadt der Hethiter. Sie ist mit 180 Hektar eine der größten antiken Stadtanlagen der Welt. Glücklicherweise befährt man das Gelände mit dem Auto, sonst hätte ich wahrscheinlich schnell schlapp gemacht. Zumal die Stadt am Hang liegt und knapp 300m ansteigt.
Man darf sich das Gelände aber nicht dicht bebaut vorstellen. Vereinzelt sind Grundmauern von Tempeln, Getreidespeichern und der Königsburg ausgegraben. Dazwischen gibt es viel Gras und Kühe.
Beeindruckend sind auch die Reste der Stadtmauer mit ihren Toren - Sphinxtor, Löwentor, Königstor... Die Statuten hab ich zum Teil schon im Museum in Ankara gesehen. Eine der Sphinxen stand auch lange Zeit in Berlin, wurde aber 2011 endlich zurück gegeben.

Ein Stück der Stadtmauer wurde auch im Sinne der experimentellen Archäologie mit historischen Materialien und Verfahren wieder aufgebaut. Hochrechnungen ergaben, dass die Hethiter rund tausend Arbeitskräfte einsetzen mussten, wenn sie pro Jahr einen Kilometer Stadtmauer bauen wollten.

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Etwas weiter nördlich liegt Alaca Höyük. Auch dieser knapp 8000 Jahre alte Ort war zwischendurch von den Hethitern besiedelt. Er ist aber bei weitem nicht so groß wie Hattusa. Allerdings hat man hier einige Gräber gefunden, in denen die sogenannten Bronzestandarten von Alaca Höyük entdeckt wurden.
Nahe Alaca Höyük befindet sich ein kleiner Staudamm. Aus Keilschrifttexten ist bekannt, dass es um 1240 v. Chr. eine schlimme Dürre in Anatolien gab, in deren Folge die hethitischen Könige eine Reihe von Wasserreservoirs errichteten. Der Staudamm von Gölpinar ist somit einer der ältesten bisher entdeckten Dämme der Welt. Das Bassin hat einen Damm, Bruchsteinmauern, Schleusen und ein Tosbecken. Es fasst ca 27.500 Kubikmeter Wasser.
2002-07 wurde der Damm freigelegt und wieder in Betrieb genommen.
Das Gelände ist eingezäunt und es scheint eine große Touristenanlage zu entstehen. Ich durfte trotzdem kurz über die Baustelle und ein Foto machen.

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Viel Zeit bleibt nicht mehr bei dem langen Rückweg, aber ein kurzer Spaziergang durch Tokat ist doch noch drin. Es lohnt sich. Es gibt noch einige sehr schön erhaltene osmanische Straßenzüge. Und in der Burg war eine Zeitlang Vlad III. (Dracula) inhaftiert.

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Zurück in Sivas gebe ich gerade noch rechtzeitig vor Geschäftsschluss das Auto wieder ab. Abendessen gibt es der Einfachheit halber im gleichen Lokal wie gestern, diesmal jedoch Lahmacun - und danach geht's wieder zum Bahnhof - heute wird im Zug übernachtet! Die Türkei hat einige interessante Routen zu bieten, u.a. den Vangölü Express von Ankara nach Tatvan. Früher war das mal der Trans-Asia-Express. Da wurde der Zug noch auf die Fähre verladen, über den Vansee verschifft und fuhr dann bis Teheran weiter. Seit Corona ist die Verbindung leider Geschichte. Deshalb geht mein Ticket auch bloß bis Tatvan. Ich bin gespannt, ob ich pünktlich ankomme. Zwar war der Zug pünktlich in Sivas, ist aber erst mit einer knappen Stunde Verspätung weiter gefahren. Das Abteil hat sogar einen Kühlschrank mit Minibar.


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Mittwoch, 07.08.2024 - Van Gölü Ekspresi

Mittlerweile sind wir bei knapp zwei Stunden Verspätung. Aber es ist auch schön, die Landschaft so gemächlich vorbei ziehen zu sehen. Unterwegs überholen wir den Touristik Vangölü Express. Gleiche Route, nur etwas langsamer mit längeren Ausflugszwischenstopps. Und zehnmal so teuer. Grundsätzlich ist es gar nicht so einfach, ein Ticket für die Nachtzüge zu bekommen. Besonders in den Ferienzeiten, sommers wie winters, werden die Abteile schnell von Reisebüros aufgekauft. Mit etwas Glück kommen dann nicht verkaufte Betten kurz vor Reisedatum wieder auf den Markt. Also hab ich mich notgedrungenerweise auch an ein türkisches Reisebüro gewandt. Das macht es ein kleines bisschen teurer, als direkt über die App der türkischen Bahn, aber immerhin hat es funktioniert.
Die Nachtzüge sind seit ein paar Jahren bei der türkischen Jugend auch sehr beliebt. Urlaubsreisen ins Ausland sind halt teuer und so kann man ein wenig Abenteuerurlaub machen und wirklich schöne Landschaften sehen. Besonders im Winter muss das auch schön sein. Das wird dann wohl auch richtig zelebriert - Picknick im Abteil, Lichterketten am Fenster...

Die Fahrt ist sehr kurvig und geht durch viele Tunnel entlang des Murat, einem Quellfluss des Euphrat. Mittlerweile liegen wir schon drei Stunden hinterm Zeitplan.


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Zwischendurch gibt es auch immer wieder viel Landwirtschaft, Kuh- und Schafherden und zahlreiche Störche staksen durch die Felder.
Das letzte große Hindernis, um das ich drumherum fahren muss ist der Berg Nemrut. Allerdings ist es nicht der mit den Götterköpfen, sondern ein Vulkan gleichen Namens.

Ankunft: 13.55... nur dass wir aus der 3 eine 6 machen. Aber egal, es war eine schöne Fahrt. Und auch, dass ich den geplanten Anschlussbus nicht bekomme ist kein Problem. Vor dem Bahnhof ist reges Treiben und eine Kakophonie von freudiger Begrüßung und lauten "Van... Van..."-Rufen. Es stehen ausreichend Dolmuş bereit, die türkischen Marschrutkas. Also rein und los...
Die Fahrt mit der Fähre hab ich wohl oder übel verworfen, weil es nirgends Fahrpläne gibt und Aussagen, ob sie überhaupt fährt oder nicht unklar waren.

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Der Bus fährt vermutlich bis zum Busbahnhof. Ich habe aber die Gunst der Stunde genutzt und bin mit anderen schon früher raus. Der Fußweg wäre der gleiche. Aber glücklicherweise ist auch gleich ein Taxistand hier. Das erspart die halbe Stunde Rucksack schleppen.
Das Hotel ist direkt im Zentrum von Van. Ich hatte es 2020 schon einmal gebucht, aber dann hat Corona die Pläne durchkreuzt.

Abendessen gibt's im Şehri-Van gleich gegenüber vom Hotel. Sehr gut! Und in ein Gespräch werde ich auch gleich verwickelt. Auch wenn ich nicht ganz durchschaut habe, was er eigentlich war... Bedienung, Kassierer, Chef oder Medizinstudent.
Danach noch ein kleiner Verdauungsspaziergang durchs Zentrum. Es sind wieder alle auf den Beinen. Das Publikum ist übrigens erstaunlich gut durchmischt. Ich habe extra darauf verzichtet, eine kurze Hose einzupacken, da ich dachte, Ostanatolien wird sehr konservativ sein... Naja, ich hab schon einige kurzbehoste Männer gesehen. Und bei den Frauen ist von Kopftuch bis halbnackt alles dabei. Die vollverschleierten, die ich bis jetzt gesehen habe, kann ich an einer halben Hand abzählen.

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Zur ersten geographischen Einordnung:
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Sehr schöner Bericht, danke!

Zwei Anmerkungen ;)
32 % schneller als 50 wären 66 km/h.
Die "römische" AVGVSTVS-Inschrift ist in Griechisch, soweit ich es erkenne. (Muss ja kein Widerspruch sein.)
 
Ein klasse Reisebericht, hast du schon mal überlegt Reiseführer und Reisetipps herauszugeben?
 
Sehr schöner Bericht, danke!

Zwei Anmerkungen ;)
32 % schneller als 50 wären 66 km/h.
Die "römische" AVGVSTVS-Inschrift ist in Griechisch, soweit ich es erkenne. (Muss ja kein Widerspruch sein.)
Huch, da hab ich einfach nur blind von der Website abgeschrieben, ohne näher nachzurechnen...
Ich hab jetzt noch eine andere Erklärung gefunden. Eigentlich ist die Höchstgeschwindigkeit wohl 90 km/h, aber die haben in dem Schild schon den Toleranzabzug beim Blitzen mit eingerechnet.

Und zum Griechisch: es ist tatsächlich die griechische Übersetzung des Textes. Zudem ist es die am vollständigsten erhaltene Variante des Rechenscshaftsberichtes.
 
Ein klasse Reisebericht, hast du schon mal überlegt Reiseführer und Reisetipps herauszugeben?
Dankeschön :)
Ich sag mal jein. Ich glaube für einen ganzen Reiseführer ist es nicht umfassend genug. Da gibt es einfach auch noch so viele Dinge rechts und links des Weges, die ich gern noch mit genommen hätte, wenn noch mehr Zeit gewesen wäre und die dem Leser dann zur Vorbereitung vielleicht fehlen.
 
Dankeschön :)
Ich sag mal jein. Ich glaube für einen ganzen Reiseführer ist es nicht umfassend genug. Da gibt es einfach auch noch so viele Dinge rechts und links des Weges, die ich gern noch mit genommen hätte, wenn noch mehr Zeit gewesen wäre und die dem Leser dann zur Vorbereitung vielleicht fehlen.
Pack doch mehre deiner Reisen zusammen. Türkei und Saudi-Arabien z.B. passt doch beim Thema.
 
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