Lauter alte Steine 2.0 - Westtürkei 2025

Registriert
04.04.2011
Beiträge
2.115
Reaktionspunkte
10.994
Ebay Username
eBay-Logo hs.kaamos
Brrr... Frost... es wird Zeit, dass es wieder in den Süden geht.

Sonntag, 19.10.2025

Jackpot... Der Flieger ist bis auf den vorletzten Platz ausgebucht. Der freie Platz ist neben mir. Los geht es allerdings mit Verspätung. Die hat die Maschine schon auf dem Herflug aus der Türkei mitgebracht. Es ist ein angenehmer Flug mit gutem Blick auf die Tatra, Karpaten, Bukarest und die Donau. Bei der Landung ist nicht zu viel zu sehen. Istanbul ist bedeckt. Aber zumindest der Regen ist schon durch gezogen.

GridArt_20251019_232328452.webp


Etwas zu spät gelandet - aber kein Problem, meine Reisebegleitung hat auch Verspätung. Ihr Flieger kommt ca. 10 Minuten nach mir runter. Durch die Passkontrolle geht's fix und am Gepäckband treffen wir aufeinander. Noch schnell das Auto abgeholt und dann geht's auch schon los, leider ein paar Minuten zu spät für den großartigen Sonnenuntergang, der unter der Wolkendecke vorblitzt.

Auf der gut ausgebauten Autobahn geht es recht flott Richtung Bursa. Den 80-km-Umweg über İzmit können wir uns aber glücklicherweise sparen, denn seit 2016 überquert die fünftgrößte Hängebrücke der Welt das Marmarameer. Sie ist nach Osman, dem Begründer des Osmanischen Reiches benannt und misst fast 3km.

GridArt_20251019_232548796.webp


Bevor es direkt nach Bursa geht, biegen wir noch einmal ab. Am Berghang des Uludağ gibt es das Dorf Cumalıkızık. Früher gab es hier in der Gegend zahlreiche derartiger Siedlungen, heute ist es die letzte ihrer Art. So haben wohl die Dörfer in frühosmanischer Zeit ausgesehen. Verwinkelte Kopfsteinpflastergassen, überhängende bunte Erker, Weinreben und Feigenbäume. Eigentlich hatten wir hier auf Abendessen gehofft, aber die Saison ist wahrscheinlich schon vorbei.
Dann checken wir eben doch schnell im Hotel in Bursa ein und genießen dort das erste Kebab der Reise.
Bursa ist ein ziemlicher Moloch an Stadt - mit über drei Millionen Einwohnern die viertgrößte der Türkei. Das Hotel ist nicht das zentralste, aber ziemlich nett. Es ist mit Figuren des Karagöz ve Hacivat dekoriert, dem türkischen Schattenspieltheater.

GridArt_20251019_232831620.webp





Montag, 20.10.2025

Der Verkehr in Bursa ist bis jetzt erstaunlich gesittet und selbst einen Parkplatz finden wir schnell. Unseren Vormittagsspaziergang starten wir im Osten an der Yeşil Türbe, dem grünen Grab, dem Grab Sultan Mehmets I. (1389-1421). Kurz zuvor war Bursa noch Hauptstadt des Osmanischen Reiches gewesen, bevor 1365 Edirne erobert wurde. Istanbul durfte noch ein paar Jahre Byzanz sein.


GridArt_20251020_210455916.webp



Na sowas, Ponte Vecchio? Krämerbrücke? Rialtobrücke? Nein, Irgandı Köprüsü. Auch Bursa kann mit einer bebauten Brücke aufwarten. Sie stammt ursprünglich aus dem 15. Jahrhundert, wurde aber nach Erdbebenzerstörungen und Bombardierung der Griechen im türkischen Unabhängigkeitskrieg erst 1949 wieder aufgebaut. Die Läden sind alle noch zu, wir sind einfach zu zeitig dran. Oder zu spät... Die Saison ist vielleicht schon vorbei. Das hat aber auch den Vorteil, dass wir nicht 1000 Touristen im Bild haben.

Direkt im Zentrum merkt man Bursa seine 3,2 Millionen Einwohner gar nicht so an. Durch den Basar lässt es sich gut schlendern. Das Marktviertel aus frühosmanischer Zeit ist Weltkulturerbe und Vorbild für viele andere, wie zum Beispiel den Großen Basar von Istanbul. Sehr schön ist auch der Koza Hanı, die "Karawanserei des Seidenkokons". Bursa war früher ein zentraler Handelsplatz der Seidenstraße.

GridArt_20251020_210804532.webp


Kommerz und Gebet liegen nah beieinander. Gleich hinterm Koza Hanı befindet sich die Große Moschee von Bursa. Nicht die großen Kuppeln und schlanken Minarette von Sinan, sondern frühosmanisch und von den Seldschuken beeinflusst, wie ich es in Zentralanatolien letztes Jahr gesehen habe. Errichten ließ sie Sultan Bayezid I., der 1396 gelobt hat, im Falle eines Sieges bei der Schlacht bei Nikopolis (Nikopol, Bulgarien) 20 Moscheen zu bauen. Es ist bei dieser einen Moschee geblieben, die allerdings 20 Kuppeln bekommen hat. Interessant ist, dass der Şadırvan, der Reinigungsbrunnen, mitten in der Moschee ist. Für Männer und Frauen gibt es unterschiedliche Eingänge. Das ist ein bisschen komisch, denn im Innenraum treffen alle wieder ohne Trennung aufeinander.

GridArt_20251020_211159549.webp


Bursa liegt am Fuße des Uludağ, der bis auf 2.500m aufsteigt. Bis jetzt sind wir recht eben durchs Zentrum gekommen, doch nun geht's ganz schön steil nach oben. Mit bestem Fernblick hat sich Osman I. (1258-1326) zur letzten Ruhe gebettet. Osman war Sohn eines oghusischen Hordenfürsten. Diese stammen ursprünglich aus der Gegend östlich des Kaspischen Meeres rund um den Aralsee und Choresm, also die Ecke, die ich im Frühjahr bereist habe. Mit der mongolischen Expansion kamen die Oghusen aber auch immer weiter nach Westen. Osman wurde schließlich von einem Seldschukensultan zum Bey (Fürsten) ernannt und begründete somit die osmanische Dynastie. Er herrschte über ein kleines Gebiet südöstlich von Bursa. Sein Sohn Orhan sollte die Stadt 1326 erobern und zur ersten osmanischen Hauptstadt machen.... Und jetzt beim Schreiben und Bilder sortieren fällt mir auf, dass wir gar nicht in Osmans Mausoleum waren, sondern Orhans. Der Vater liegt im Nachbargebäude 🙈

GridArt_20251020_211448715.webp


Raschen Schrittes geht es wieder quer durchs Zentrum zurück Richtung Auto. Doch bevor wir abfahren werfen wir noch einen Blick in die Grüne Moschee, noch so ein Meisterwerk frühosmanischer Architektur. Aber hier sieht man schon, wie wir uns von den seldschukischen Vorlagen entfernen. Die Moschee wurde auch von Mehmet I. errichtet, mit dessen Türbe wir unseren Rundgang begonnen hatten.

GridArt_20251020_211838376.webp


Nun kommt noch 'ne Brücke... Diesmal ist es die Nummer Eins auf der Rangliste. Mit 2023m Spannweite ist es die längste Hängebrücke der Welt und überspannt die Dardanellen zwischen Europa und Asien. Es ist ein Bauwerk der Superlative und der Symbole. Die 2023m nehmen Bezug auf die 100-Jahr-Feier der türkischen Republik 2023. Die komplette Länge der Brücke ist 3.869m, inklusive Rampen sogar 5.169m. Die Pylonen sind 318m hoch. Am 18.03.2017 fand der erste Spatenstich statt und eingeweiht wurde die Brücke am 18.03.2022. Das eigentliche symbolträchtige Datum ist aber der 18. März 1915, an dem in der Schlacht um Gallipoli ein britisches und ein französisches Schlachtschiff an eben jener Stelle versenkt wurden. Diese waren auf dem Weg, Konstantinopel zu erobern, da die Osmanen im Ersten Weltkrieg ja auf Seiten der Mittelmächte kämpften. Ergebnis der Schlacht waren 100.000 Tote und 250.000 Verwundete. Hier legte Atatürk auch die Grundlage für seinen Ruhm als Volksheld.

Die Dardanellen wiederum sind benannt nach Dardanos, einem Sohn von Zeus und der Titanin Elektra. Er gründete auf kleinasiatischer Seite die Stadt Dardania, aus der später Troas, bzw. Troja hervorging.

GridArt_20251020_212052414.webp


Nach der Fahrt über die Brücke sind wir jetzt wieder in Europa, genauer auf der Halbinsel von Gallipoli. Hier wütete Februar 1915 bis Januar 1916 die Schlacht von Gallipoli, bzw. von Çanakkale (Dardanellen) im türkischen Sprachgebrauch. An der Südspitze der Halbinsel besuchen wir das Denkmal der Märtyrer von Çanakkale, einen großen, schlichten Klotz, der erst 1960 nach einigen Skandalen, wie etwa veruntreuten Baumaterialien fertiggestellt wurde. Das Gedenkrelief ist definitiv auch eher Plastik als Bronze.

Den Sonnenuntergang warten wir jetzt allerdings nicht noch ab, sondern geben Gas, damit wir noch die Fähre erreichen, mit der es wieder zurück nach Asien geht.


GridArt_20251020_212624962.webp



GridArt_20251020_213144542.webp
 
Ein Bericht, der jetzt schon wieder Neid erregt! Nicht nur wegen der tollen Bilder, sondern auch wegen der Bauzeit der Dardanellenbrücke! Ich muss da leider sofort an eine Autobahnbrücke in meiner Region denken, die nicht einmal ein Zehntel dieser Länge hat...
Egal wie verzögert dein Bauprojekt vor Ort ist, nichts schlägt die Ortsumgehung von Hochstadt in Oberfranken an der vielbefahrenen B173 die aktuell mitten durch den Ort verläuft.
Die war nämlich schon im Reichsverkehrswegeplan von 1934 vorgesehen mit einer Streckenführung direkt entlang der Eisenbahnstrecke Bamberg - Kronach und zeitnaher Umsetzung. Trotz stetig weitergehender Planungen und Gutachten ist auch nach über 91 Jahren noch kein Baubeginn abzusehen, und Generation um Generation der Anwohner muss den Verkehrslärm vor der Haustür erdulden. Zumindest sind dann zum 125. Jubiläum der Ankündigung in 34 Jahren oder so dann die Abgase nicht mehr dabei wenn die Autos überwiegend rein elektrisch fahren.
 
Dienstag, 21.10.2025
Jetzt haben wir genug Osmanen gehabt - tauchen wir doch noch ein bisschen tiefer in die Geschichte ein. Nach dem mehr als reichhaltigen Frühstück besteigen wir gleich neben dem Hotel ein kleines Hügelchen, auf dem sich das Grab des Hektor befinden soll. Hektor war der Sohn von König Priamos von Troja und eine der zentralen Figuren der Ilias. Er ist ein tragischer Held, moralisch integer, Symbol der Stärke, Mut, Heimat- und Familienliebe. Sein Zweikampf mit Achilles gehört zu den dramatischsten Szenen im Kampf um Troja. Achilles besiegt den trojanischen Helden schließlich und schändet dessen Leiche. Nicht gerade seine Sternstunde, aber er war auch noch in Trauer, da Hektor zuvor seinen Freund/Gefährten/Liebhaber Patroklos im Kampf getötet hatte.

Der Hügel selbst ist jetzt nicht so beeindruckend, es sind die Geschichten die damit verknüpft sind. Es gibt auch durchaus den Versuch, alles etwas touristisch zu erschließen und die Möglichkeit eine Wanderung durch die Troas zu machen.
GridArt_20251020_213144541.webp

Es gibt so ein paar mythische Plätze, die im Kulturgedächtnis der Welt festgeschrieben sind. Babylon ist so einer. Nun kann ich einen weiteren auf meiner Liste abhaken: Troja. Der Ort, bei dem man nicht so genau weiß, was ist Mythos, was ist Geschichte - und doch hat Schliemann die alten Mauern gefunden. Dass er dabei nicht gerade zimperlich mit allem umgegangen ist und dabei wahrscheinlich viele historische Schichten der Entwicklung Trojas zerstört hat, steht auf einem anderen Blatt. Mit dem Schliemanngraben hat er einen Schnitt durch den ganzen Hügel von Hisarlık gezogen, durch alle Siedlungsschichten von Troja I bis Troja VII. Welche Schicht die des trojanischen Krieges ist, ist jedoch nicht bekannt, geschweige denn, ob er überhaupt stattfand, wie es Homer beschreibt. Dass es immer wieder Konflikte zwischen Trojanern und Griechen gab, ist aber einleuchtend. Die Lage an den Dardanellen sorgt zum einen für Reichtum, aber auch für Neider. Dass der trojanischen Prinz Paris, der einst ausgesetzt und von einer Bärin gesäugt wurde, die Griechin Helena entführt hat, Frau von König Menelaos, was alle epischen Helden wie Odysseus, Achilles, Hektor u.a. auf den Plan gerufen hat, inklusive Intrigen der Götter, wird sicher so nicht stattgefunden haben. Aber dass die Gegend voller Geschichte steckt, steht außer Frage. Und die haben wir heute fast für uns alleine. Die Saison ist fast vorbei und wir müssen uns das Gelände nur mit ein paar schimpfenden Eichhörnchen teilen.

Der trojanische Krieg läuft dann später bei der Autofahrt als Podcast.

GridArt_20251021_223506462.webp


Unser Weg ist heute mit toten Helden gepflastert. Zu Ajax holpern wir über einen Feldweg. Welcher Ajax dort liegt, weiß ich nicht, bei Troja haben zwei gekämpft. Ajax der Große war nach Achilles der stärkste Kämpfer der Griechen. Ajax der Kleine wiederum war nach Achilles der schnellste Läufer und beste Speerwerfer. Der hat nach dem Fall Trojas Kassandra vergewaltigt, die trojanischen Prinzessin mit seherischen Fähigkeiten, die schon früh vor dem Fall Trojas gewarnt hatte. Dummerweise lastete auf ihr auch der Fluch, dass ihr niemand glaubt. Zur Strafe versenkte Zeus auf der Heimfahrt sein Schiff. Ajax der Kleine wurde von Poseidon jedoch auf einen Felsen gerettet. Daraufhin prahlte er damit, dass er sogar den Göttern trotzen konnte. Von dieser Überheblichkeit vor den Kopf gestoßen machte ihm Poseidon schließlich doch noch den Gar aus. Und entsprechend der Geschichte ist das Grab wahrscheinlich doch das von Ajax dem Großen. Der ist nämlich schon direkt vor den Toren Trojas gestorben. Ihm hat Odysseus ziemlich übel mitgespielt, als es darum ging, nach Achills Tod dessen Waffen und damit die Führungsrollen neu zu verteilen. Aus Schmach stürzte sich Ajax ins eigene Schwert. Auch wenn viele sicher anderer Meinung sind, halte ich Odysseus für eine zutiefst unsympathische Person.

Ganz in der Nähe klettern wir noch auf alten Weltkriegskanonen rum, die den Eingang in die Dardanellen bewachen.

GridArt_20251021_223838737.webp


Die Touristen schauen wahrscheinlich nur direkt in Troja vorbei, denn der Weg weiter die Küste entlang ist nicht mal mehr gepflastert. Dabei geht es hier zum wahrscheinlich größten Helden der Ilias: zum Grab des Achill. Schönheit, Großmut, Stärke und Kampfkunst machten ihn zum idealen Heroen. Allerdings war er in seinem jugendlichen Temperament wohl auch sehr aufbrausend und geriet mit Agamemnon, dem Heerführer aller Griechen aneinander und zog sich vom Kampf zurück. Das stellte ein Problem dar, denn den Griechen wurde geweissagt, dass sie nur mit Achilles Troja besiegen werden.
Nach Patroklos' Tod kam Achill zurück an die Front, tötet Hektor - und erlebt selbst den Fall Trojas nicht mehr. Eigentlich ist Achilles unverwundbar, nachdem ihn seine Mutter als Baby in den Fluss Styx getaucht hat, der die Welt der Lebenden von den Toten trennt. Nur die Ferse, an der sie ihn festhielt blieb verwundbar. Ausgerechnet ein Pfeil von Paris, der die schöne Helena raubte und so den trojanischen Krieg auslöste, traf Achill in die Ferse - zugegebenermaßen jedoch nicht aus eigenem Geschick, sondern gelenkt von Apollon.

Achilles' Grabhügel finden wir eine halbe Stunde von Troja entfernt. Das letzte Stück kämpfen wir uns durch das Gestrüpp eines verlassenen Campingplatzes. Ein Gang führt auch noch ins Innere des Grabhügels, vermutlich von Grabräubern stammend, die in der Hoffnung auf Schätze buddelten. Aber auch wenn es leer ist - der Blick auf den Hellespont ist herrlich.

GridArt_20251021_224111825.webp


Bis zur Babakale, der westlichsten Spitze der Festlandstürkei fahren wir aus Zeitgründen nicht mehr, aber ein kurzer Abstecher nach Chryse, dem heutigen Gülpınar ist noch drin. Hier steht das Apollon Smintheion. Apollon hat neben der Sonne auch Mäuse und Ratten in seinem Götterportfolio - und kann mit ihnen auch Krankheiten bringen. Als die Griechen zu Kriegsbeginn in der Troas gelandet waren, hat Agamemnon u.a. diesen Tempel des Apoll geplündert und die Tochter des Priesters entführt. Zur Strafe schickte Apollon den Griechen Krankheiten ins Lager, was wunderbar zur Rattengeschichte passt. Auf der Prozessionsstraße ins Smintheion ist auch Paulus schon unterwegs gewesen. Die Anlage ist schön, besonders jetzt, wenn langsam die Sonne herauskommt. Und wir haben auch das ganze Areal wieder für uns alleine.

GridArt_20251021_224455977.webp


Einen kurzen Zwischenstopp legen wir noch in Assos ein. Im Sommer ist hier sicher der Teufel los. Ein Souvenirstand reiht sich an den anderen, zig Restaurants und Boutique Hotels... aber alles zu. Wie leider auch die Akropolis auf dem 230m hohen Felsen. So werfen wir den Blick anstatt auf die antiken Ruinen nur auf die Moschee und die weite Landschaft. Immerhin können wir uns vorstellen, wie Aristoteles einige Jahre hier gelehrt hat.

GridArt_20251021_224735728.webp


Zeitlich haben wir uns ein bisschen verplant... eigentlich wollten wir schon eher da sein. Aber das Bett läuft ja nicht weg. Das steht heute in einem alten Herrenhaus mit wunderbaren Blick über die Lichter der Stadt Bergama.

GridArt_20251021_224923518.webp
 
Mittwoch, 22.10.2024
Ach ja, Bergama ist ja eigentlich Pergamon! Dass wir direkt neben der Akropolis übernachtet haben, wusste ich. Aber in der Finsternis gestern Abend war mir nicht bewusst, dass diese auf einem 335m hohen Hügel liegt. Zum Glück gibt es eine Seilbahn. Mit der geht es nach Frühstück in bestem Sonnenschein nach oben. Besiedelt ist der Hügel wohl schon ca. 2.800 Jahre (sicher auch schon deutlich davor, aber da sind die Funde uneindeutig), aber schriftlich erwähnt wird Pergamon erst seit dem Jahr 400 v. Chr. Um die Ursprünge der Stadt ranken sich mehrere Legenden. So wird Telephos, einem Sohn des Herakles die Gründung nachgesagt. Und um den Bogen zum gestrigen Tag zu schlagen: Telephos spielt auch während des trojanischen Krieges eine Rolle. Er zeigte den Griechen, die erst die falsche Stadt angegriffen hatten, den richtigen Weg nach Troja. Selbst wollte er jedoch nicht mit in den Kampf ziehen, da er mit der Schwester des Priamos verheiratet war. Eine andere Sage erzählt, dass Pergamos, Enkel des Achill und Sohn der Andromache (Hektors Frau), eine Stadt erobert haben soll und ihr seinen Namen gegeben hat. Wie dem auch sei: Troja verfolgt uns auch heute.
In Pergamon soll übrigens auch das Pergament erfunden worden sein.

Die Anlage auf dem Hügel ist beeindruckend. Wir starten an den Resten des Athene Tempels und steigen dann die Stufen des Theaters herab. Da sollte man schwindelfrei sein. Die Ränge für 10.000 Zuschauer sind in den Hang gebaut und öffnen sich steil mit Blick ins Tal auf die darunterliegende moderne Stadt Bergama. Neben dem Theater gibt es einige Märkte, Paläste, zahlreiche Tempel und die nach Alexandria größte Bibliothek des damaligen Welt - von der natürlich auch nichts mehr erhalten ist. Es war das Ziel der Herrscher, ein zweites Athen zu schaffen.
GridArt_20251022_184231075.webp

GridArt_20251022_1842310755.webp



Vom Theater aus erreichen wir ein Plateau, auf dem sich nur noch das Fundament eines einst beeindruckenden Bauwerkes befindet: der Pergamonaltar. König Eumenes II. ließ ihn ca. 170 v. Chr. als Dank für den Sieg über die keltischen Galater errichten und um mit ihm die Macht Pergamons zu unterstreichen. In den 1870/80er Jahren wurde der Altar von Carl Humann entdeckt, ausgegraben und nach Deutschland gebracht. Mittlerweile steht er im Pergamonmuseum. Das wird aber noch bis 2037 saniert. Zumindest der Altar soll wohl aber an 2027 schon wieder zugänglich sein.

GridArt_20251022_1842310752.webp


Auf der höchsten Ebene der Akropolis erreichen wir schließlich das Trajaneum. Hier hat der römische Kaiser Trajan begonnen, einen Tempel zu eigenen Ehren zu errichten. Fertiggestellt wurde die Anlage unter Hadrian, der sich hier auch hat verehren lassen.

Dann wird es aber langsam Zeit für den Abstieg. Wir verzichten auf die Seilbahn und stiefeln zu Fuß los über den alten Zugang zur Akropolis. Die ganzen Reisegruppen sparen sich die Wanderung durch die sengende Sonne und so haben wir noch einige Schmankerl ganz für uns alleine: mehrere Gymnasien, Hera- und Demeter-Tempel und das Haus Z. In dem Gebäude aus dem 2. Jh. v. Chr. gibt es noch einige wunderbare Mosaikböden.

GridArt_20251022_1842310751.webp




Noch verlassen wir Bergama aber nicht. Am anderen Ende der Stadt, mit bestem Blick auf den Akropolishügel, befindet sich das Asklepieion - ein Heiligtum für den Gott der Heilkunst. Die Anlage ist ziemlich weitläufig und ist im Prinzip ein antikes Krankenhaus. Zeitweise war es gar das bedeutendste Asklepieion der antiken Welt. Der griechische Arzt Galenos, bzw. Galen (129~216) stammt aus Pergamon und hat auch eine Zeit lang hier praktiziert. Seine Arbeiten zur hippokratischen Lehre und Anatomie bestimmten die Medizin bis ins 17. Jh. Man kann sich den Kurbetrieb in der Anlage gut vorstellen. Es gibt Bäder, Räume für Schlaftherapie, Liegehallen, ein Theater und Tempel (eine verkleinerte Kopie des Pantheons in Rom).

Auf dem Säulenrest erkennt man auch zwei Schlangen und eine Schale, die findet man noch heute auf den Apothekenzeichen.

GridArt_20251022_184450165.webp


Nein, das komische Geräusche ist kein Motorschaden, sondern Magenknurren. Also halten wir, bevor wir Bergama verlassen, noch fix an einem Lokal an. Nichts exquisites, sondern eher eine Suppenküche, bei der wir in die Töpfe gucken. Aber lecker war es!

Es geht immer weiter landeinwärts durchs antike Lydien - immer den Wolken hinterher. Die öffnen zwischendurch kurz die Schleusen, aber der Platzregen verzieht sich zum Glück schnell wieder.

Schließlich erreichen wir Sardes, die Hauptstadt Lydiens. Das antike Königreich ist durch Handwerk und Handel zu sagenhaftem Reichtum gekommen, der mit einem seiner Könige noch heute sprichwörtlich ist: Krösus herrschte von 555 bis 541 v. Chr. Er war aber auch der letzte König Lydiens. Er zog gegen den Perserkönig Kyros II. zu Felde und unterlag.
Das Orakel von Delphi hatte Krösus noch prophezeit: „Wenn du den [Grenzfluss] Halys überschreitest, wirst du ein großes Reich zerstören.“
Dass er sein eigenes Reich zerstören würde, damit hatte Krösus nicht gerechnet. Lydien ist übrigens auch dafür bekannt, dass hier die Geschichte des gemünzten Geldes begann. Vermutlich Krösus' Vater Alyattes II. war es, der die ersten Münzen aus Elektrum prägen ließ. Münzen finden wir leider keine, dafür aber alte Steine. Die Reste des Gymnasions sind beeindruckend, ebenso wie die Mosaike der Synagoge von Sardes. Die stammt aus dem 4.-6. Jh. und ist das außerhalb Palästinas größte und am besten erhaltene antike jüdische Gotteshaus.
Die komisch knubbeligen Pflanzen sind Spritzgurken. In allen Teilen giftig.

GridArt_20251022_185008949.webp
GridArt_20251022_185333022.webp
IMG_20251022_165415387_HDR_AE.webp


Heute sind wir mal richtig angenehm zeitig dran. Die Stadt Salihli ist nichts besonderes, aber wir sind ja nur zum Übernachten hier. Ein kleiner Spaziergang durch die Geschäftsstraße und dann geht es schon Abendessen. Es gibt Fisch und einen Lammspieß.

GridArt_20251022_1842310755122.webp
 
Donnerstag, 23.10.2025

Heute geht es nochmal zurück nach Sardis. Gestern standen wir bei Artemis leider schon vor verschlossenem Tor. Jetzt haben wir mehr Glück, auch weil ein Reisebus gerade abfährt und wir wieder einmal allein durch weite Flut stapfen. Das Artemision von Sardis war der viertgrößte ionische Tempel der Welt. Allein das Fundament der Anlage aus dem 4.-2. Jh. v. Chr. lässt die Ausmaße erahnen. Auch zwei der einst 80 Säulen stehen noch. Es ist beeindruckend, mit welcher Kunstfertigkeit Kapitelle und Basen bearbeitet wurden. Endgültig fertig gestellt wurde der Tempel aber wohl nie.

GridArt_20251024_092038141.webp


Die Fahrt ist ein leichter Zickzackkurs. Gestern ging es nach Osten, heute zurück nach Westen. Dass aber auch alles so verstreut sein muss, was wir sehen wollen... Da schaut selbst Atatürk missbilligend vom türkischen Mount Rushmore in Izmir.

Bevor wir uns heute Nachmittag wieder kopfüber in alte Steine stürzen, müssen wir uns noch stärken. Dafür geht es über Serpentinen ein Stück den Berg hoch zum Dörfchen Şirince. Im Sommer ist der Ort überlaufen, aber auch heute treten sich die Besucher schon gegenseitig auf die Füße. Bis in die 1920er Jahre war es ein griechisches Dorf, danach wurden die Einwohner vertrieben. Der griechisch-türkische "Bevölkerungsaustausch" nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches war auch ein Drama, 400.000 Muslime aus Griechenland und 1,2 Millionen anatolische Griechen waren gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.
Angeblich ist Şirince der Ort, an dem die Jungfrau Maria in den Himmel aufgefahren sein soll. Ihre letzten Jahre hatte sie nach Jesu Tod ganz in der Nähe bei Ephesos verbracht.
Ende 2012 erlebte das Dorf einen Besucheransturm, weil manche glaubten, dass nach dem Ende des Maya-Kalenders die Welt untergehen würde, Şirince aber aufgrund der Marienverehrung und „positiver Energien“ als einziger Ort verschont bliebe.

GridArt_20251024_092457400.webp


Frisch gestärkt erreichen wir Selçuk und sind ein wenig geplättet von den Touristenmassen. Aber da müssen wir jetzt durch. Schon vor 2000 Jahren war der Ort - damals noch als das antike Ephesos - Anziehungspunkt für Gott und die Welt. Der Apostel Johannes soll mit Maria nach der Kreuzigung hierher gekommen sein. Hier hat er auch sein Evangelium geschrieben. Ihm zu Ehren wurde ab dem vierten Jahrhundert ein Gotteshaus errichtet, das nach und nach zu einer der größten Kirchen der Christenheit erweitert wurde.

GridArt_20251024_092938178.webp


Lange vor dem Gott der Christen wurde in Ephesos allerdings Artemis verehrt. Sie ist eine Tochter des Zeus und Zwillingsschwester des Apoll. Artemis ist die Göttin der Jagd, der Jungfräulichkeit, des Waldes, der Geburt und des Mondes sowie die Hüterin der Frauen und Kinder. Sie ist die Schutzgöttin der Stadt, die von ihren Einwohnern inbrünstig verteidigt wurde. "Groß ist die Artemis der Epheser!" steht auch in der Bibel. Ihr zu Ehren wurden über die Jahrhunderte mehrere Heiligtümer errichtet, die zu den größten der damaligen Welt gehörten. Der Tempel aus dem 6. Jh. v. Chr. war eines der sieben Weltwunder. Am 21. Juli 356 v. Chr. fiel der Tempel einer Brandstiftung durch Herostratos zum Opfer. Er beging die Tat aus Geltungssucht – sein Vorhaben, durch das Niederbrennen des Weltwunders berühmt und somit unsterblich zu werden, ist ihm gelungen. Der Sage nach soll in der Nacht des Brandes Alexander der Große geboren worden sein, weswegen Artemis, die dessen Geburt in Pella überwachte, ihr eigenes Heiligtum nicht schützen konnte.
Der Tempel wurde später noch größer und prächtiger wieder aufgebaut. Aber auch von diesem Bauwerk haben die Jahrhunderte leider kaum etwas übrig gelassen. Nachdem er im 4. Jh. von den Goten zerstört wurde, zeugt heute nur noch eine einzelne Säule im mückenverseuchten Sumpf von der einstigen Größe.

GridArt_20251024_093329841.webp


Davon, dass Ephesos einst eine Hafenstadt war, sieht man heute nichts mehr. Das Umland ist versandet und bis zur Küste sind es nunmehr sechs Kilometer. Dass es aber eine reiche Stadt gewesen sein muss, sieht man noch deutlich. Die Ruinen sind prächtig. Eigentlich müsste Ephesos auch heute noch eine reiche Stadt sein: mit 40€ sind die Tickets mehr als happig. Besiedelt ist die Gegend schon seit ca. 7000 Jahren, ab etwa dem elften vorchristlichen Jahrhundert war Ephesos eine griechische Stadt. Im Laufe der Zeit wechselten die Herrscher: Kimmerer, Lyder, Makedonen... bis Ephesos schließlich mit über 200.000 Einwohnern zu einer der größten und bedeutendsten Städte des Römischen Reiches aufstieg. Erdbeben, Pest und islamische Expansion führten aber schließlich zum Untergang des antiken Ephesos.

Das Theater der Stadt ist geschlossen - wird saniert. Die Hanghäuser, die am besten erhaltenen römischen Villen im östlichen Mittelmeer sind nicht im Ticket inkludiert... Das ist alles nicht so befriedigend. Aber zumindest bekommen wir noch eine nette Multimedia-Show geboten, die ein wenig über Artemis und Aufstieg und Niedergang der Stadt erzählt.

GridArt_20251024_093545213.webp



Nachsaison ist was tolles. So bekommt man auch mal 'ne tolle Ferienwohnung spottbillig. Da nehmen wir doch das Penthouses mir Pool gerne und werden gleich zwei Nächte in den Lavender Residences bleiben.

GridArt_20251024_0935452133.webp
 
Freitag, 24.10.2025

Das Frühstücksrestaurant der Unterkunft haben wir nicht gefunden. Aber halb so wild, türkischen Kaffee gibt's überall. Es sind aber immer die Männer, die schon vormittags beim Plausch im Kaffeehaus sitzen.
Unser erstes Ziel heute ist Priene, das in antiker Zeit einmal eine Hafenstadt war. Aber schon zur Zeitenwende kam es ähnlich wie in Ephesos zur Verschiebung der Küste durch Anschwemmungen des Flusses Mäander. Die zahlreichen Windungen haben seinen Namen schon in der Antike zum Sinnbild für einen verschlungenen - mäandernden - Flusslauf werden lassen.

Unser Frühstück verspeisen wir auf den Stufen des Theaters. Anfangs ist es noch ruhig, aber dann schallen Trillerpfeifen durch den Wald - Schulklassen auf Exkursion werden von den Lehrern durch die Ruinen gelotst. Zum Glück ist das Gelände weitläufig genug, dass wir uns nicht ständig über den Weg laufen. Wann Priene gegründet wurde, ist nicht bekannt. Allerdings spätestens im 8. Jh. v. Chr. war es Mitglied im ionischen Städtebund. Lyder, Perser, Alexander der Große - auch hier geben sich wieder die Altbekannten den Stadtschlüssel in die Hand. Und wie so oft, kommen zum Schluss die Römer. Die Stadtstruktur ist und bleibt jedoch hellenistisch und ist für die besonders regelmäßige Anlage trotz der widrigen Geographie am Hang bekannt. Prunkstück der Stadt ist aber zweifelsohne der Athene-Tempel. Wie meist, steht nicht mehr viel. Dafür liegen noch unglaublich viele Säulentrommeln rings um den Tempel. Anzahl und Größe lassen die einstige Pracht erahnen. Unglaublich, was für Anstrengungen bewältigt worden sein müssen, um die Massen zu bewegen.

GridArt_20251025_001449176.webp


Nächster Stopp ist das "Manhattan der Antike". Milet ist ein ziemlich alter Siedlungsplatz. Erste Spuren stammen aus dem 4. Jahrtausend vor Christus, möglicherweise von Kretern. Danach gab es mehrere Besiedlungsphasen, gefolgt von Zerstörung. Nach den Perserkriegen wurde die Stadt in strengem Raster wieder aufgebaut, was zum modernen Spitznamen führt. In hellenistischer und römischer Zeit war Milet ein Zentrum der Philosophie und Wissenschaft. Einer der mit der Stadt verbundenen Namen ist zum Beispiel Thales von Milet. Na, wer erinnert sich an den Satz des Thales? 😉 Alle von einem Halbkreis umschriebenen Dreiecke sind rechtwinklig. 📐

Die Stadt ist ziemlich weitläufig. Wir starten am großen Theater, laufen durch das versandete Hafengebiet, vorbei an der Stoa (Säulenhalle) bis hin zur südlichen Agora. Hier fehlt jetzt aber etwas... Da sind ja nur noch Fundamente, wo sich einst ein prächtiges Tor erhob. Zugegebenermaßen lagen nach einem Erdbeben im 10. ist 11. Jh. nur noch Trümmer rum, doch selbst die wurden 1907/08 von Theodor Wiegand nach Berlin entwendet. Das berühmte Markttor von Milet steht heute im Pergamonmuseum. Das habe ich mir zufällig auf den Tag genau vor sieben Jahren anschaut.
Vorbei an Bouleuterion, Serapeion und den Faustina Thermen geht es schließlich zurück zum Auto. Gut so, denn die nächsten Reisebusse voller Schüler stehen schon bereit.

GridArt_20251025_002004155.webp


Nach den ganzen ganzen alten Steinen kommt ein kleiner Hunger. Na dann gibt's eine nette Kleinigkeit beim Didim balıkçısı. Gleich zwölf Fische landen auf dem Teller.

GridArt_20251025_0020041552.webp


Frisch gestärkt geht's vom modernen Didim ins antike Didyma. Eine Prozessionsstraße hat das 16 km entfernte Milet mit dem hiesigen Apollon Heiligtum verbunden. Vielmehr als ein Stück Straße und das Heiligtum gibt es auch nicht zu sehen, aber gerade dieses ist wirklich beeindruckend. Von den 120 knapp 20 Meter hohe Säulen stehen nur noch wenige. Aber auch hier sind Basen und Kapitelle wie schon beim Artemision von Sardis mit großer Liebe zum Detail gestaltet.
Das Innere des Tempels ist ungewöhnlich. Nachdem man außen erst einmal die Tempelterrasse erklommen hat, kann man nicht durch das Hauptportal gehen, sondern nimmt zwei Tunnelgänge, die in einen tieferliegenden unüberdachten Innenhof führen. Hier stand früher noch ein kleinerer Tempel drin.

Begonnen wurde der Bau 330 v. Chr., fertiggestellt wurde das Heiligtum aber auch nach knapp 600 Jahren Bauzeit nicht. Das Apollon Heiligtum war eigentlich ein Orakel, neben Delphi, Dodona und Klaros eines der bedeutendsten der Antike. Es soll an der Stelle errichtet worden sein, an der Leto ihren Sohn Apoll von Zeus empfangen hat.
Auch Alexander der Große hat von der Orakelquelle Weissagungen erhalten. Darin wurde er als Sohn des Zeus bezeichnet und ihm wurde sein Sieg in der Schlacht bei Gaugamela prophezeit. Da war ich 2023 :)

cb68d554-a3f9-43b2-9b45-ad4b1d4c8b40_35fa7915-944f-4f10-98c8-8a567608fc58.webp


GridArt_20251025_002315832.webp


Es ist außerdem interessant, welche Prominenz Medusenköpfe haben. Die habe ich jetzt schon an zahlreichen der besuchten Ruinen angetroffen. Aus moderner Sicht ist die Medusa ja mit ihren Schlangenhaaren eine eher monströse Gestalt, noch dazu, wenn ihr Blick den angesehenen versteinert. Der Medusenkopf galt aber auch als Schutzsymbol, um böse Geister, Feinde oder Unglück fernzuhalten.

GridArt_20251025_002315832a.webp


Nun folgt wieder einmal eine Jagd nach dem Sonnenuntergang. Ganz fangen wir sie nicht, aber kurz erahnen wir, wie sie hinter Samos versinkt. Mit Abendessen wird's auch nix. Das Lokal liegt hinter der Schranke eines Nationalparks und wir wissen nicht so recht, wie man hin kommt. Aber so schlimm ist es im Endeffekt nicht, wir sind noch satt.

GridArt_20251025_002526621.webp
 
Samstag, 25.10.2025
Das war gestern gar nicht so schlecht mit dem Frühstück auf die Hand. Hier in der Türkei gibt's überall kleine Lokale, da braucht man nichts vom Hotel. Deswegen brechen wir einfach erst einmal auf und schauen, was es unterwegs gibt. Kurz vorm ersten Tagespunkt setzen wir uns zu Orhan Baba und lassen es uns schmecken. Oliven, Käse und Menemen.
Die Grundlage brauchen wir auch, heute gibt es viel zu sehen.

Wir grasen so langsam den ganzen Olympischen Götterhimmel ab. Athene, Artemis, Zeus, Apoll... Jetzt folgt Aphrodite.
Der griechische Schöpfungsmythos ist ja auch interessant. Drei Göttergenerationen folgen aufeinander und immer sind die Männer nicht die nettesten. Uranos und Gaia (Himmel und Erde), zeugen die zweite Generation, die Titanen, wobei Uranos die Kinder hasste und immer wieder in den Tartaros sperrte, eine Art Hölle der Hölle, da der Tartaros noch unter dem Hades stand.
Gaia gelingt es, ein Kind zu verstecken, Kronos. Der schneidet seinem Vater die Geschlechtsorgane ab, womit die erste Göttergeneration von der zweiten abgelöst wird. Kronos ist aber nicht besser, der verspeist alle seine Kinder, die Geschichte wiederholt sich und Kronos wird von seinem Sohn Zeus abgelöst, der dritten Generation, den Olympischen Göttern.
Aber noch einmal zurück zu Uranos' Entmannung. Als Kronos den Schnitt tat, spritze Blut, wo es die Erde traf, entstanden Dämonen. Es spritze allerdings auch noch Uranos' Samen ins Meer, das zu schäumen begann, worauf Aphrodite empor stieg: die Schaumgeborene. Sie zählt als Zeus' Adoptivtochter zu den Olympischen Göttern.


Nun sind wir also in Aphrodisias, das für seinen zentralen Aphrodite Tempel bekannt ist. Die Siedlung ist ca. 5000 Jahre alt, heute aber mehrheitlich griechisch-römisch geprägt. Dementsprechend gibt es wieder ein Stadion, Tempel, Theater und Bäder, deren Böden noch wunderbare Marmorfliesen haben. Sehr schön ist auch das Sebasteion, das für den Kaiserkult errichtet wurde.
An den Marmorschnitzereien kann man sich kaum sattsehen.

GridArt_20251025_233430187.webp


GridArt_20251025_233642082.webp



Sehr interessant sind auch die Reste der Marktbasilika. Das hat nichts mit einer Kirche zu tun. Basilika ist nur der Name der architektonischen Bauform. Die Halle am Rand der Agora war einst mit unzähligen Marmortafeln geschmückt, die heute im leider geschlossenen archäologischen Museum sind. Auf den Tafeln war das Höchstpreisedikt von Diokletian festgehalten, dass die Inflation während der Reichskrise im 3. Jh. bekämpfen sollte. Reichsweit wurden einheitliche Höchstpreise für Waren und Dienstleistungen festgelegt, die bei Missachtung in letzter Konsequenz sogar mit dem Tod bestraft werden konnten.
Die Tafeln haben wir leider nicht gesehen, aber auch die Schautafeln waren interessant und sehr ausführlich.

GridArt_20251025_233642082s.webp


Jetzt steht uns ein Gebirge im Weg. Rundherum ist ein paar Minuten schneller, aber das Wetter ist schön, also fahren wir über Serpentinen quer über den Babadağ. Zwischendurch bangen wie ein bisschen ob des Fahrbahnzustandes, aber es geht alles gut. Außerdem entschädigen die Ausblicke für das Gekurve. In der Ferne erkennt man auch schon den weißen Klecks, wo wir gleich hin fahren.

GridArt_20251025_233900559.webp


Hierapolis: Lieber nachmittags hier her kommen, hat's geheißen, dann sind die Tagestouristen aus Antalya wieder weg... Ja, denkste. Durch den Ort geht's nur stop and go und die Polizei schickt uns vom Südeingang in Pamukkale gleich wieder weg. Alles überfüllt, die Leute campieren am Straßenrand. Da vergeht uns die Lust schon halb und wir fahren vorbei. Am Nordeingang wagen wir doch noch einen Blick und entscheiden: hier geht es halbwegs. Die Sonne knallt, als wir durch die Nekropole 2,5km in Richtung der antiken Stadt Hierapolis wandern. Es ist die größte antike Totenstadt Kleinasiens. Auf unserem Weg beginnt es plötzlich zu dröhnen und zu donnern. Kampfjets ziehen ihre Kreise. Jetzt wird auch klar, warum es heute besonders voll hier ist: alle sind gekommen, um sich eine Flugshow des Kunstflugteams der türkischen Luftwaffe anzuschauen.

GridArt_20251025_234320395.webp


Pamukkale heißt Baumwollburg, bzw. Watteburg. Und genau das meint man auch zu sehen, wenn man sich dem weißen Berg nähert. Die Kalksinterterrassen sind über Jahrtausende durch kalkhaltige Thermalquellen entstanden. Dass dieses Schauspiel Touristen anzieht ist klar. Sicher waren die Quellen auch ein Grund dafür, dass Hierapolis hier gegründet wurde. Nachdem früher Hotels Wasser abgepumpt haben und die Besucher relativ unbeschränkt alles beklettern konnten, hat man sich nun eines besseren besonnen und alles in etwas geregeltere Bahnen gelenkt. Die Trillerpfeife erklingt, wenn du an der falschen Stelle vom Wege abweichst. Es gibt aber trotzdem noch Pools, durch die man auch waten darf.

GridArt_20251025_234125175.webp


Nachdem wir heute mit Aphrodite gestartet sind, schließen wir mit einem anderen Gott ab: mit Pluton. Er ist ein Gott der Totenwelt und inwieweit er von Hades zu trennen ist, ist nicht bekannt. Sein Heiligtum in Hierapolis war ein Ort des Spektakels. In den tiefen Graben wurden Tiere geführt, die sofort tot umfielen, während die Priester daneben am Leben blieben. Am Grunde des Grabens herrscht zu den Morgen- und Abendstunden eine erhöhte Kohlenmonoxidkonzentration. Tiere, insbesondere mit Köpfen nah am Boden, werden schnell ohnmächtig und atmen dann bewusstlos am Boden eine tödliche Dosis ein. Die Priester daneben hielten ihren Kopf hoch, bzw. standen auf einem Stein, sodass sie nicht betroffen waren.

DSC08369.webp


Damit der Weg morgen nicht so weit wird - und um die Touristenpreise in Pamukkale zu umgehen - fahren wir noch ein Stück weiter in die Berge. Hier ist absolute Provinz.
Abendessen gibt's auf der Dachterrasse. Der Ofen scheint nur für uns angemacht zu werden. Allerdings hätte die Portion ruhig etwas größer sein können. Dann geht's eben noch einmal um den Block zur Pastanesi für ein bisschen Süßkram 😋Man sieht überall Fahnen und patriotische Poster - Vorbereitungen für den Nationalfeiertag nächste Woche.

GridArt_20251025_234320395s.webp
 
Sonntag, 26.10.2025
Eigentlich sollte es nach dem Frühstück gleich in den Süden geben, aber mit dem morgendlichen Klicken im Bett, kam die Eingebung, doch noch einen Abstecher zu machen. Der Start ist erstmal unerwartet. Alles neblig, wolkenverhangen und ziemlich kühl. Wir sind aber auch auf knapp 1.000m, ohne dass das sehr auffällt. Es ist eine Hochebene. Doch die Wolken reißen bald auf und nach einem Turkish coffee in Gölhisar können wir Kibyra erkunden. Gegründet worden sein soll die Stadt von Spartanern, aber das ist wohl nur eine Legende. Legendär ist auf jeden Fall die Lage: ein weiter Blick ins Tal. Stadion, Theater, Bäder, Odeon - alles, was eine antike Stadt braucht, ist da. Insbesondere letzteres ist toll. Vor der Bühne ist das marmorne Medusenmosaik noch komplett intakt.

GridArt_20251026_223335587.webp
GridArt_20251026_223205000.webp



Jetzt biegen wir noch einmal schnell bei Bölmepınar, einem kleinen Dörfchen ab und statten der hiesigen Moschee einen Besuch ab, angeblich eine der ältesten der Türkei. Aber das behaupten sicher einige von sich. Zumindest eine Menge antike Spolien stecken in der Fassade. Im Gebetsraum wird gerade Fußbodenheizung unterm Teppich verlegt.

GridArt_20251026_223519691.webp


Ich hatte gar nicht auf dem Schirm, dass sich der Taurus so weit in den Westen erstreckt. Aber hier ist er nun. Und wir müssen runter.

GridArt_20251026_223755903.webp


Da ist es, das Meer. Oder vielmehr das Plastikmeer. Hier an der Mittelmeerküste reiht sich ein Gewächshaus ans andere. Und dann ragt da doch noch eine Akropolis aus der pamukkaleweißen Masse auf. Bis da noch steigen wir allerdings nicht, keine Ahnung, ob das überhaupt geht. Die Hauptsehenswürdigkeit ist am Fuße des Hügels: Myra. Von der antiken Stadt ist nicht mehr viel übrig: ein Theater und einige malerische lykische Felsengräber. Sehr teuer, für wenig zu sehen. Und nach dem anschließenden Granatapfelsaft grummelt der Magen etwas.

GridArt_20251026_224013723.webp



Hier lacht uns schon die ganze Zeit von zahlreichen Fassaden ein dicker, bärtiger Mann mit roter Mütze an. Ach ja, Myra - das ist ja der Wirkungsort vom Nikolaus.
Der heilige Nikolaus war Anfang des 4. Jh. Bischof von Myra. Er ist einer der beliebtesten Heiligen sowohl der Ost- wie auch der Westkirchen, insbesondere wegen seiner Großzügigkeit gegenüber Kinder und Armen. Die Kirche in Demre wurde vom 5.-12. Jh. genutzt und war einst die Grabkirche von Nikolaus. Seinen Sarkophag sieht man noch, aber der ist jetzt leer. 1087 wurde die Kirche geplündert und die Gebeine nach Bari gebracht.

GridArt_20251026_224206643.webp


Die Fahrt über die kurvige Küstenstraße von Finike über Demre nach Kaş ist traumhaft. Immer wieder Blicke auf kleine Buchten und die vorgelagerten Inseln, noch einmal über einen Gebirgsausläufer und dann liegt eine Marina vor uns. Kaş ist ein quirliger Touristenort mit ein paar charmanten Ecken. Und ein Sonnenuntergang über der See mit ein paar Inseln am Horizont ist sowieso nicht zu toppen.
... außer vielleicht von einem ausgezeichneten Abendendessen.

GridArt_20251026_224405235.webp



Ach ja... ein Theater gibt's hier auch. Und diesmal gibt's sogar was anzuhören.

GridArt_20251026_224450098.webp
 
Goldpreis
3600.86 €/oz
115.78 €/g
Silberpreis
45.39 €/oz
1.46 €/g
Bitcoin
85380,41 €
Ethereum
2756,65 €
Zurück
Oben