Samstag, 15.04.2023
Kurz nach Mitternacht bringt uns ein Taxi zum Flughafen. Drei Sicherheitskontrollen später sitzen wir dann am Gate und hauen die letzten Dinare für einen Tee auf den Kopf. Beim Start kann ich einen Blick auf die Zitadelle erhaschen, bzw. auf das schwarze Loch im Lichtermeer. Auch Mosul und Duhok sind zu sehen. Ansonsten ist der Flug mit Turkish Airlines erfreulich unspektakulär und ich bekomme ein wenig Schlaf.
Abschied von Erbil
In Istanbul trennen sich nun unsere Wege, M. muss nach Wien und C. & J. nach London. Und weil ein Hallo schöner ist als ein Abschied, ziehen wir das gar nicht großartig in die Länge. Während die anderen Richtung Transfer marschieren, mache mich auf die Suche nach dem TourIstanbul-Schalter. Das ist in diesem Riesenflughafen gar nicht so einfach.
Bei Transfer mit ausreichend Übergangszeit bietet Turkish Airlines kostenlose Stadtführungen. Eine dieser Touren nehme ich in Anspruch. Der erste Stopp ist bei einem Kaffeefahrtenbasar. Aber Gewürze, Nüsse, Baklava und Parfüm brauche ich nicht. Da ist der nächste Besichtigungspunkt schon besser: die bulgarisch-orthodoxe Kirche St. Stefan. Im Zuge der "bulgarischen Wiedergeburt" im 19. Jh. löste sich die bulgarische Kirche von der griechisch-orthodoxen. Ihr Zentrum hatte sie aber nach wie vor in Istanbul. Die dafür nun notwendige Kirche wurde in Wien gefertigt und in Einzelteilen die Donau hinab verschifft. Sie ist auch als eiserne Kirche bekannt.
Istanbul. Sweti Stefan. Die eiserne Kirche.
Danach geht es gleich weiter zur Aya Yorgi Kilisesi. Die Georgskathedrale ist der Sitz des Ökumenischen Patriarchats in Konstantinopel. Bis zur Eroberung durch die Osmanen hatte es seinen Sitz in der Hagia Sophia. Es findet gerade eine Messe statt, inklusive Chorälen und dicken Weihrauchschwaden. Hier wird erst morgen Ostern gefeiert.
Georgskathedrale
Wir befinden uns innerhalb der alten Stadtmauern des alten Konstantinopel um Stadtviertel Balat. Bis zur Gründung Israels war dies das jüdische Zentrum Istanbuls. Heute wohnen hier hauptsächlich ärmere Menschen aus Anatolien, Kurden und Roma. Die Straße steigt sehr steil vom goldenen Horn aus an. Oben angekommen stehe ich dann im Stadtteil Fener vor dem griechischen Gymnasium. Es ist die älteste weiterführende griechische Schule der Stadt und wurde 1454 gegründet. Auf sie gingen viele Persönlichkeiten der griechischen, türkischen und bulgarischen Geschichte.
Istanbul ist schon voll im Wahlkampf
Von Balat nach Fener. Der rote Ziegelbau mit Kuppel ist das griechische Gymnasium.
Gleich daneben befindet sich Theotokos Mouchliotissa, die "Gottesgebärerin von den Mongolen". Aufgrund ihrer roten Farbe wird sie aber auch oft blutige Kirche genannt. Sie ist eine der wenigen byzantinischen Kirchen, die nie zur Moschee umgewandelt wurde. Sie wurde von der Prinzessin Maria Despina Palaiologina gestiftet, einer unehelichen Tochter des byzantinischen Kaisers Michael VIII.
Zu der Zeit zogen gerade die Mongolen nach Europa und der Kaiser versuchte sich mit geschickter Heiratspolitik abzusichern. Maria wurde also mit Hülegü, einem Enkel Dschingis Khans verlobt. Der starb aber zu früh und vererbte die Verlobte seinem Sohn. Der wurde ermordet und der Mörder betrachtete die Prinzessin als Beute. Die spielte aber bei dem hin und her nicht mehr mit, stiftete die Kirche und ging ins Kloster. Die Verbindung mit den Mongolen bewahrte die Kirche aber immerhin vor der Umwandlung in eine Moschee, da die Osmanen die "mongolische Königin" respektierten. Ein entsprechender Ferman von Mehmed II. wird noch in der Kirche ausgestellt.
Der Ferman, der den Bestand der Kirche garantiert. Und genau deswegen übt man in der Grundschule einen ordentlichen Rand zu ziehen.
Und das ist nun der Punkt, an dem ich mich von der Führung verabschiede, die fährt nämlich schon zurück zum Flughafen, ich habe aber noch Zeit. Auf der Haliç Metro Köprüsü überquere ich das Goldene Horn und komme über die Galatabrücke wieder zurück. Hier reihen sich die Angler dicht an dicht und sind auch durchaus erfolgreich.
Das Goldene Horn
Einen Blick werfe ich nun noch in die Yeni Cami. Die "neue Moschee" ist eigentlich gar nicht so neu, ersetzte aber 1663 eine Brandruine. In 15 Tagen nahem Osten ist das erstaunlicherweise erst die dritte Moschee, die ich besuche. Basare hatte ich dafür in den letzten Tagen schon häufiger. Der große Basar von Istanbul lohnt sich trotzdem. Er wurde im 15. Jh. angelegt und beständig erweitert. Viel Zeit zum Eintauchen hatte ich aber nicht. Da war dann für mich der Eindruck des touristischen Trubels sehr Vordergründig, der sich vom Alltagsbasar, den ich in Kurdistan hatte, deutlich unterscheidet. Mit mehr Zeit hätte ich sicher noch die passenden Ecken aufstöbern können, aber ich muss langsam die Beine in die Hand nehmen, der Shuttlebus fährt bald. Unterwegs läuft mir noch die ein oder andere hübsche Moschee übern Weg, aber rein schauen klappt nicht mehr.
Yeni Cami
Kapalı Çarşı. Der große Basar von Istanbul.
Beyezid II. Moschee
Pertevniyal Valide Sultan Moschee. Die letzte osmanische Moschee, die in Istanbul errichtet wurde. 1871 fertiggestellt.
Am Flughafen gibt’s noch was zu essen, die teuerste Mahlzeit der Reise und mit nur unwesentlicher Verspätung geht es mit Turkish Airlines wieder zurück nach Berlin. Der Start über Istanbul und die verschneiten Karpaten waren zwar schön, aber so wie das Wetter hier in Berlin aussah, wäre ich aber beinahe wieder umgekehrt.
Es gibt Ali Nazik und den Schlamm des Paradieses.
Und damit bedanke ich mich für eure Geduld und dafür, dass ihr mich wieder auf meiner Reise begleitet habt 