UK 1797: der Sparstrumpf kommt in Mode

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1797: Das reaktionäre Großbritannien unter George III und das revolutionäre Frankreich befinden sich im Kriegszustand. Die französischen Heere aus Bauernburschen sind einfach nicht klein zu kriegen. Mehrfach erdreisten sich die Franzosen, Landungsversuche auf der Insel zu unternehmen.

Im Februar 1797 setzten 4 Kriegsschiffe 1400 Mann Landtruppen nahe des idyllischen Ortes Fishguard in Wales ab. Das Schicksal meinte es nicht gut mit den Franzosen. Ihre militärische Planung hatte übersehen, dass kurz zuvor ein Weinfrachter ganz in der Nähe gestrandet war. Die Bevölkerung hatte sich am Wein reichlich bedient. Bei Plünderungszügen in die nähere Umgebung erbeuteten die Franzosen größere Mengen eben jenes Weins. Saufen oder kämpfen; das war hier die Frage. Ein größerer Teil der Truppe entschied sich für's Saufen. Wegen resultierender Volltrunkenheit fielen sie militärstrategisch gesehen vollkommen aus. Der Rest der Truppe wollte dann auch nicht mehr so recht und ergab sich den Briten.

Eine kleine Episode der Weltgeschichte, aber die Landung der Franzosen traf die Briten tief ins Mark.Es kam zu einem regelrechten Bank-Run. Große Mengen Münzgeld wurde den Banken entzogen. Darauf hin wurde der Umtausch von Banknoten gegen Münzen verboten. Die Bevölkerung reagierte mit dem Horten von Gold und Silber aus dem Umlauf.

Unter George III wurde nur wenig geprägt. Das ohne hin knappe Bargeld wurde durch das Horten zur Mangelware. In den Gewölben der Bank of England fand sich viel Gewölbe, aber nur wenig Edelmetall. Die Bank konnte die entzogene Geldmenge nicht ausgleichen. Angehäuft hatte sich aber eine große Anzahl spanischer Reales-Münzen aus Silber. Sie stammten von erbeuteten Silberfrachtern. Sie wurden auf dem Hals des spanischen Königs mit dem Kopfbild von George III gegen gestempelt und zum Kurs von 4 Schilling und 9 Pence in Umlauf gebracht.

4Schilling und 12 Pence wären der Gegenwert für die britische Großsilbermünze, den Crown (Krone) gewesen.

„Two kings heads and not worth a crown“ hieß es im Volk. „Die Köpfe zweier Könige sind noch nicht einmal eine Krone wert“. Eine derbe zweideutige Bemerkung. Der König konnte allerdings schlecht einen Großteil seiner Bevölkerung wegen Majestätsbeleidigung belangen, und so musste er schlucken.

Es ging noch derber:

the head of a fool on the neck of an ass“

Der Kopf eines Verrücken auf dem Hals eines Arschs“

Diese gegen gestempelten Münzen fanden offensichtlich wenig Anklang. Ab 1804 wurden die Reales überprägt. Es entstanden die „Bank of England Silver Dollars“. Die überprägten 8 Reales wurden zum Gegenwert einer ganzen Krone abgegeben und auch recht schnell aus dem Umlauf entfernt und gehortet.

Mein Exemplar landete wohl auch in irgendeinem Sparstrumpf. Die Patina ist fast schwarz und sehr gleichmäßig. Das deutet auf eine lange ungestörte Ruhezeit hin.

Viele Grüße

Hermann
 

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In dem Zusammenhang passt auch die Geschichte mit den Cartwheelpennies und privaten Copper-Tokens.

Solange die Kupfermünzen per Muskelkraft geprägt wurden, erschien dem König die Herstellung zu teuer. Von 1775 an wurden 22 Jahre lang keine Kupfermünzen mehr geprägt. Die Wirtschaft bekam den Kleingeldmangel unangenehm zu spüren. Es gab zwar Kleingeld in Silber, jedoch auch dieses war dünn gesät. Der 1 Silberpenny war ein Winzling mit 12 mm Durchmesser und 0,5 Gramm Gewicht. Nichts für Leute, die eine Lesebrille brauchten, sie sich jedoch nicht leisten konnten.

Findige Geschäftsleute schufen kurzerhand ihr eigenes Geld. Zahlreiche Token, überwiegend vom Nominal Halfpenny, entstanden und konnten die Kleingeldnot zu mindestens lindern.

1797 schlug die gr0ße Stunde der Dampfmaschine. Große Kupferklötze zu 1 Penny und 2 Pence wurden geprägt. Die Aufbringung der Prägekraft per Dampfdruck verbilligte die Herstellung der Münzen. 45 Mio. dieser Münzen wurden hergestellt. Die Wirtschaft erfuhr eine spürbare Belebung.

Wegen des breiten Münzrandes wurde dieser Münztyp "Wagenrad-Penny" ("Cartwheel-Penny) genannt.

Da der Metallwert fast dem Nominalwert entsprechen musste, war pro Penny eine Unze Kupfer (28,35 Gramm, nicht Feinunze mit 31,1 Gramm) zu verprägen. Solch ein Penny bringt es auf einen Durchmesser von 35 mm. Ideal. um einen Strumpf mit solchen Münzen zu füllen und damit unvorsichtige Straßenräuber durch zu prügeln. :D


In den Bilder zunächst Vorder- und Rückseite eines solchen Penny. Dann ein Token und als letztes Bild der Größenvergleich zu einem Silberpenny (hier George II, 1758)

Viele Grüße
Hermann
 

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Sehr schöne Stücke. Vor ein paar Jahren erschien ein Buch über Matthew Bolton, den Gründer der Soho- Mint, der ersten Prägestätte, in der mit der damals neumodernen Dampfkraft gearbeitet wurde. So sind diese Münzen auch ein Zeugnis für die industrielle Revolution. Wieder einmal zeigt sich, wie privilegiert wir Münzensammler sind. Für kleines Geld können wir unser privates Museum mit Antiquitäten ausstatten, die etwas über ihre Zeit aussagen.
Ich mag diese Token auch gern und besitze einige von ihnen, besonders haben es mir die Schiffsdarstellungen angetan.Ich weiss nicht, ob der Beschluss, die Golden Hind 1936 von ihrem ursprünglichen Platz auf der geplanten Halfcrown auf den Halfpenny zu holen, auch von der Gestaltung vieler Halfpenny-Token beeinflusst war, doch für unmöglich halte ich das nicht.
diverse mynter 003.JPG diverse mynter 004.JPG diverse mynter 005.JPG diverse mynter 006.JPG P1090485.JPG P1090484.JPG
 
um den Faden noch etwas weiter zu spinnen ....
In meiner Lehrzeit in London hatte ich ausreichend gelegenheit die vielen Flohmärkte zu besuchen- einschließlich derer, die am Freitag morgen um 3 Uhr öffneten. Token hab ich damals noch nicht gesammelt, sie gefielen mir aber, genau wie Kronerogøre.
die Schiffe sind bei mir eine andere Serie.

England-Half-Penny-Token.jpg
Bei Seaby's gab es 1970 mal für 1,50 £ ein Büchlein "British Token and Their Values".

Gruß diwidat
 
...mir sind Menschen, die um 3 Uhr morgens schon fit sind, immer suspekt... ;)
 
Hallo Florian,
Du mußt den Strumpf mal andersrum drehen. Wer um 3 Uhr noch wach ist fängt den frühen Vogel :rolleyes:
 
Egal wie rum ich meinen Strumpf drehe, 3 Uhr ist bei mir die Ferse und da sind bei mir immer Löcher...
 
3 Token mit Schiffsmotiven will ich anhängen, ein schier unerschöpfliches Gebiet. Besonders der erste Token mit den Walfängern hat es mir angetan. Wie hart, entbehrungsreich und gefährlich mochte diese Arbeit wohl sein?

Ein alter nordischer Dichter, so einer mit wallendem Bart, der holde Worte kraftvoll zu einer Saga schmiedet, hätte wohl geschrieben:

"Mutig trotzen sie dem wogenden Wallen der gichtigen Wellen, kampflüstern hinauf zum Ringen mit dem Giganten der Meere. Diese, aus Meerschaum geboren in eisiger Kälte, durcheilen die furchtbaren Wellen des unerbittlichen Meeres im hohen Norden, flüchtend den grausamen Fischern des Schiffes des Holzes der Bäume des Waldes der nebligen Insel, übersät mit Burgen und Schlössern, erhebet sich trutzig aus den tosenden Fluten der See im mittleren Norden... :)

Viele Grüße
Hermann
 

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