Münzfälschungen: Herkunft, Markteinführung und Verbleib?

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Hallo ihr Lieben,

mich würde mal interessieren, welche Erkenntnisse/Vermutungen es aus der Praxis zum Thema "Fälschungen" gibt.

Herkunft:
Wo kommen die Fälschungen her? Handelt es sich wirklich fast ausschließlich um „China-Fälschungen“, wie hier immer mal wieder geschrieben wird oder stammen sie auch aus anderen Ländern? Gibt es ggf. auch in Europa immernoch aktive Fälscherbanden/Einzeltäter?

Markteinführung:
Wie werden diese Fälschungen in den Markt eingeführt? Ich stelle mir vor, dass es schon eine gewisse Mindestauflage braucht, damit eine Fälschung wirtschaftlich ist. Nur für ein paar wenige Exemplare wird man sich kaum die Mühe machen, eine Münze mit all dem erforderlichen Aufwand zu fälschen. Die Fälschung z.B. per Ebay-Auktionen in den Markt zu bringen und bei Auffliegen den Ahnungslosen zu spielen dürfte daher wohl ausscheiden. Aber wie werden die Münzen dann stattdessen in teils hoher Auflage auf den Markt geworfen? Die Fälschungen dürfen ja erst dann auffliegen, wenn sich die Münzen bereits nicht mehr ausreichend weit zurückverfolgen lassen, sodass die Fälscher nicht gefasst werden können.

Verbleib der Fälschungen:
Und wenn die Fälschungen auf dem Markt erstmal den Besitzer gewechselt haben, wie verlassen sie diesen dann ggf. wieder? Verlassen die Fälschungen den Markt überhaupt wieder in einer ausreichenden Quantität (also Marktaustritt >= Neufälschungen) oder steigt die Anzahl der Fälschungen am Markt schlicht immer weiter an? Wie hoch ist wohl der Anteil ehrlicher Sammler, die eine erkannte Fälschung tatsächlich unter Wertverlust vernichten/einschmelzen lassen? Wie viele versuchen wohl ggf. die Fälschung „elegant“ loszuwerden und vermeintlich unwissend weiterzuveräußern? Jenes Verhalten sehen wir ja leider recht oft beim Thema angeblicher Euro-Fehlprägungen. Und wie viele Sammler bewahren die Fälschung - ob nun als solche gekennzeichnet oder nicht - lieber weiter still in ihrer Sammlung auf? Der Sammlermarkt wäre dann ggf. auch wiederum auf fachkundige und ehrliche Erben angewiesen, welche die Fälschungen später wiederum nicht wissentlich oder unwissentlich als vermeintliches Original weiterverkaufen.

Welche Erkenntnisse oder Vermutungen gibt es hier zu den obigen Gedanken? Was meint ihr dazu?
 
Siehe zum Thema auch hier:

 
Hier hat sich bisher keine wirkliche Diskussion ergeben. Vermutungen oder gar gesichertes Wissen zur Herstellung, Inverkehrbringung und zum Verbleib von Fälschungen am Sammlermarkt scheint es offenbar nicht zu geben.

Mich wundert es ein wenig, dass die Sache so nebulös ist, aber offenbar verstehen die Fälscher ihr Handwerk und lassen sich nicht so leicht in die Karten schauen. Aber ist das nicht komisch? Müssten nicht eigentlich viel mehr Fälscher/Inverkehrbringer auffliegen? Ich stelle mir vor, dass gerade bei hochpreisigen Stücken viele Sammler nach Erhalt einer Münze, diese wohl als erstes auf Echtheit prüfen. Wenn dann eine Fälschung auffliegt, müsste sich zumindest bei noch jungen Fälschungen doch die Herkunft feststellen lassen, da sie vermutlich noch nicht durch zu viele Hände gelaufen sind.

Einige Sammler hier berichten ja immer mal wieder, dass sie eine Münze aufgrund eines Fälschungsverdachtes zurückgegeben haben. Aber hat denn noch nie jemand hier wegen einer Fälschung/Inverkehrbringung Anzeige gegen den den Verkäufer/Unbekannt erstattet?

Wenn dem tatsächlich so ist, dass der Fälscher/Inverkehrbringer im schlimmsten Fall damit rechnen muss, dass der Käufer die Münze zurücksendet, dann drängt sich einem doch der Verdacht auf, dass es sich bei der Münzfälschung letztlich um ein Kavaliersdelikt handelt, welches nicht wirklich geahndet wird.

Gibt es Meinungen dazu?
 
Dass man hier öffentlich nicht so gerne über bestimmte Dinge diskutieren möchte, vermute ich auch mal. Anders lässt sich die ohrenbetäubende Stille ja kaum interpretieren.

Dass eine derartige, öffentliche Diskussion für den ehrlichen Sammler kontraproduktiv sein könnte, mag in Bezug auf die Inverkehrbringung richtig sein, das gebe ich zu. Ob es jetzt auch so gefährlich wäre, hier zu schreiben, ob nun wirklich alle Sammlerfälschungen aus einem wie auch immer gearteten "China" kommen steht aus meiner Sicht auf einem anderen Blatt. Ich vermute ja ehrlichgesagt eher, dass dieses in vielen Beiträgen beschriebene "China" eher eine Art Platzhalter-Wort für zahlreiche unbekannte/mehr oder weniger vermutete Quellen steht. Wirklich Handfestes zum Thema scheint es mir jedenfalls nicht zu geben.

Was ich mich allerdings frage:
Ist es nicht viel zu gefährlich, Fälschungen in China zu produzieren und dann unter diversen Zoll-Kontrollen nach Deutschland/Europa zu verladen? Ein Container voll mit Gold- und Silbermünzen aus dem Kaiserreich? Da dürfte selbst einem numismatisch ansonsten unbewanderten Zöllner wohl ein Licht aufgehen, weshalb ich überwiegend andere Standorte als Produktionsstätte von Fälschungen vermute. Ich gebe aber auch gerne zu, dass ich keine Ahnung habe, wie viel Fälschungsaktivität es in Bezug auf historische Sammlermünzen heute (überhaupt noch) gibt. Vielleicht ist es heute einfach viel bequemer moderne Euro-Münzen zu fälschen. Der verlinkte Beitrag von numisfreund deutet es ja vielleicht an.

Am meisten hätte mich aber eure Meinung/euer Wissen zum Thema "Verbleib von Fälschungen" interessiert. Der Markt kann für (naive Jung-)Sammler ja nur dann intakt bleiben, wenn zumindest immer ungefähr so viele Fälschungen den Markt verlassen (einschmelzen, kenntlichmachen als Fälschung, in den Müll werfen etc.), wie neue Fälschungen in den Umlauf kommen. Ansonsten kommt der Markt unweigerlich früher oder später in Probleme. Vermutlich gibt es auch zu diesem Thema wenig Konkretes.

Ich vermute aber ehrlichgesagt, dass der Anteil "stiller Fälschungen" in Sammlungen ein großes Problem ist: Der Sammler weiß, dass eine Münze eine Fälschung ist oder ahnt dies zumindest. Doch die Fälschung liegt ungekennzeichnet zwischen den anderen und wird so von Dritten (Erben, Käufern, etc.) im Zweifelsfall später gar nicht als solche identifiziert und dadurch wieder in den Markt gebracht.

Wir haben hier ja sogar spezialisierte Fälschungssammler im Forum. Daher vielleicht mal die Frage: Ist euren Anverwandten eigentlich bekannt, dass es sich um eine Fälschungssammlung handelt oder ist die Sammlung/sind die Münzen zumindest entsprechend gekennzeichnet?
 
Hallo,

es ist sehr schwierig auf diese Fragen einzugehen.:
Für Fälschungen gibt es verschiedene Herkunftsorte und Vertriebswege. Heutzutage am häufigsten bei ebay oder Alibaba vertrieben, bei Letzterem als Nachprägungen angeboten, oftmals mit eindeutiger Kennzeichnung als NP (Punze oder Stempel) allein ausgeliefert werden dann Stücke ohne diese Hinweise. Eine Firma Tungsten aus China hat vor wenigen Jahren noch Werbung damit gemacht, bei einer Einsendung einer Vorlage beliebig viele kopierte Stücke aus Wolfram hartvergoldet, zu kleinem Preis zu liefern. Ob darüber im Netz noch etwas zu finden ist weis ich allerdings nicht.
In den 50’igern bis Mitte der 70’iger kamen viele „Galvanos“ aus Ungarn, bis in die 90’iger hinein gab es Fälschungen von alten römischen Bronzen und auch Goldmünzen aus Italien. Teilweise gab es dafür sogar Kataloge (z.B. von Petar Petrov). Diese Stücke werden mittlerweile oft als Originale angeboten, obwohl bekannt ist dass es Fälschungen sind.

Heutzutage kommen die Meisten Sammlerfälschungen leider wirklich aus China. Ursprünglich als Ehrung an die alten Meister, in Ermangelung von Originalen hergestellt und als solche auch verkauft, wandelte sich das mit verstärktem Tourismus in China schnell in ein lukratives Geschäft. Gefälscht wird alles was irgendwie Gewinn bringt, verkauft wird es auf den Touristenmärkten und im Netz. Es gibt dafür auch viele Bildbeispiele (Beweise) im Internet (Fotos von den Märkten). Selbst Videos von der Münzherstellung (Nachprägung) in China gibt es im Netz. Für gegossene Münzen aus China habe ich noch keine Videos gesehen, obwohl bei vielen Stücken die Herkunft klar belegbar ist (z.B. gefälschte Käschmünzen). Für den Vertrieb kommen somit auch viele Touristen in Frage, die damit einen kleinen Teil ihres Urlaubs „Refinanzieren“ wollen hinzu.
Richtig in Gang kam dieses Geschäft bereits in den 1940'igern bis 50'igern, wo viele Besatzungssoldaten für den Vertrieb in der Heimat sorgten. Daher gibt es auch viele Fälschungen, die bereits 50 Jahre und mehr in Sammlungen liegen. Zu nennen sind hier hauptsächlich Großsilbermünzen (China, Japan - aber auch Thaler) und Silberbarren aller Art aus dem gesamten asiatischen Raum.
Insgesamt leider ein „uferloses“ Thema.

Falsche Euros kommen dagegen wohl oft aus Italien und der Türkei. Da waren vor wenigen Jahren sogar Angebote bei ebay, wo man für ca. 30-50% Euros Sackweise kaufen konnte… . Möge sich jeder seinen Teil dazu denken. Hin und Wieder tauchen dazu auch Meldungen in der Presse auf (Zerschlagung von Fälscherringen).

Grüße pingu

pS: Bearbeitung wie immer - Schlechtschreibfehler... (sicher nicht alle...)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo pingu,

vielen Dank für deinen Beitrag! Ich finde deine Texte sind einfach "rund" und lese sie daher immer wieder gerne. Die wenigen "Schlechtschreibfehler" stören mich dabei überhaupt nicht ;).

pingu:
Heutzutage am häufigsten bei ebay oder Alibaba vertrieben, bei Letzterem als Nachprägungen angeboten, oftmals mit eindeutiger Kennzeichnung als NP (Punzeoder Stempel) allein ausgeliefert werden dann Stücke ohne diese Hinweise.
Oh, das wusste ich gar nicht! Sehr interessant! Da fällt mir ein, dass ich auch mal eine Neuprägung gekauft habe, welche über einen entsprechenden Stempel verfügen sollte. Ob der Stempel dann auch tatsächlich drauf ist, habe ich aber nie geprüft. Ich werde mir das Stück mal genauer ansehen, wenn ich es das nächste Mal in den Händen halte.

Aber das ist auf jeden Fall ein sehr guter Hinweis für alle Sammler. Ich denke, nur wenn wir uns hier über derartige Maschen austauschen, kann es uns Sammlern gelingen, den Fälschermark nach und nach trockenzulegen, bzw. zumindest etwas einzudämmen und Fälschungen sukzessive aus dem Verkehr zu ziehen. Ansonsten werden uns die Fälscher immer einen Schritt voraus sein und leichtes Spiel darin haben, naive Sammler über den Tisch zu ziehen. Das wäre dann leider ein Problem für den gesamten Sammlermarkt, da ein Sammeln für Neu-Sammler natürlich nur dann attraktiv ist, wenn man nicht befürchten muss, betrogen zu werden. Insofern glaube ich, sollten wir hier alle ein Interesse daran haben, über die krummen Maschen aufzuklären.

Eine Firma Tungsten aus China hat vor wenigen Jahren noch Werbung damit gemacht, bei einer Einsendung einer Vorlage beliebig viele kopierte Stücke aus Wolfram hartvergoldet, zu kleinem Preis zu liefern
Wow, das ist krass! Wenn die Stücke wirklich aus Wolfram sind, dann beißen versierte Sammler bei der Fälschungserkennung mit Waage und Messschieber wohl regelmäßig auf Granit. Ich hoffe mal, dass dieses Problem nicht weiter um sich greift.

[...] Touristenmärkte [...] Für den Vertrieb kommen somit auch viele Touristen in Frage, die damit einen kleinen Teil ihres Urlaubs „Refinanzieren“ wollen hinzu.
Das ist sicher auch ein guter Hinweis für alle Sammler, bei entsprechenden Angeboten im Urlaub entsprechende Skepsis walten zu lassen! Danke für den Hinweis! Wenn der Vertrieb über Touristenmärkte geschieht, erübrigt sich natürlich auch die Transport- und Zollproblematik der gefälschten Stücke. Das Risikiko trägt dann ja der Käufer. Ganz schon clever!

[...] Falsche Euros [...] Hin und Wieder tauchen dazu auch Meldungen in der Presse auf (Zerschlagung von Fälscherringen).
Das fällt mir ebenfalls auf: Wenn es um Pressemeldungen zu aufgeflogenen Fälscherringen geht, handelt es sich fast ausschließlich um moderne Euro-Fälschungen. Wobei es sich selbst da fast ausschließlich um Banknoten und nur selten um Falschmünzen handelt. Gleichwohl scheint die Anzahl gefälschter Münzen derzeit immer weiter anzusteigen (siehe verlinkter Beitrag in #2). Die Aufklärungsquote scheint bei Münzen deutlich niedriger zu sein als bei Banknoten.
 
Natürlich ist es sehr ärgerlich, wenn einem ein falsches Stück untergejubelt wird. Allerdings bin ich der Meinung, dass man aus dem Schaden auch klug werden kann und sollte.
Ich habe einige falsche Stücke in der Sammlung liegen, darunter auch zeitgenössische aus dem 19. Jahrhundert (die wiederum sehr interessant für Sammler sein können, aber das ist ein anderes Thema). Natürlich habe ich mich maßlos über solche Käufe geärgert, aber: Mit jeder falschen Münze habe ich meine Sinne geschärft, worauf es ankommt, wie gefälscht wird und woran man solche Stücke erkennen kann. Dies ging oft einher mit leidenschaftlichen Diskussion im Dialog mit meiner Gattin.
Fazit: man lernt nie aus und schaut vielleicht in Zukunft besser hin.

Es gibt allerdings auch falsche Münzen, die aus gutem Grund nachgemacht worden sind. Man denke zum Beispiel an diverse Goldmünzen (meist aus dem Kaiserreich oder der K&K-Monarchie), die im letzten Jahrhundert neben kleinen Goldbarren in Glasvitrinen diverse Banken auslagen, um Kunden mit Investitionen in Gold zu motivieren. Natürlich lagen dort aus Sicherheitsgründen keine echten Münzen. Ist ja auch okay so.
Oder man denke an Museen, die ebenfalls aus Sicherheitsgründen schon mal gerne exakte Nachbildungen ausstellen. Hätte man im Keltenmuseum in Manching keine Originale ausgestellt, wäre es erstens keinem aufgefallen und zweitens wäre der Schaden beim Raub der Münzen im Jahr 2022 marginal und hätte kaum jemanden gejuckt. Im Gegenteil: die dummen Gesichter der Diebe hätte ich gerne gesehen. Leider wurden die Originalmünzen gestohlen. :(

Trotzdem: lockert euch, Leute, und schaut genau hin! ;)
 
Es wird extrem viel bis sehr viel gefälscht. Und nicht alle Fälschungen sind leicht erkennbar. Darüber muss man sich im Klaren sein. Da, wo primär "nur" das "Metall" vorgetäuscht / gefälscht wird, ist es noch relativ einfach und übersichtlich.

Da, wo eindeutig "Rarität" oder "Sammlerwert" vorgetäuscht / gefälscht wird, kann es schon deutlich schwerer, für viele bereits zu schwer, werden.

Das Geld, dass jemand in Sammlermünzen steckt muss man entweder wirklich "über" haben oder aber bereits so viel davon verstehen und darüberhinais auch so gut mit anderen Fachleuten / Spezialsammlern vernetzt sein, dass man den regelmäßigen Erwerb von Fälschungen mit Sicherheit ausschließen kann.

Zertifizierung bringt dann nichts, sobald die Zertifizierer Münzen zertifizieren, die außerhalb ihrer Kernkompetenz liegen. Davon verstehen sie dann viel zu wenig oder auch mal nichts. Die Beurteilung der Echtheit ist diesen Leuten dann ganz einfach nicht möglich.

Wirtschaftlich genau so gefährlich wie Fälschungen sind verfälschte und überarbeitete Münzen.
 
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