Echtheits- und Erhaltungseinschätzung Reichsmünzen

Äußerst interessant.

Wie lange wurde ein Stempel damals benutzt? Warum hat JG 1787 A an der selben Stelle ein nicht komplettes " R" ? Das ist doch ein anderer..
Laut Schloesser betrug die Stempelstandzeit fuer die halbe Krone 1877 in Hannover 7700 Ex. Anders Zahlen sind für dieses Nominal leider nicht erhalten oder zumindest nur nicht zugänglich.
Wenn derselbe Fehler bei mehregen Jahrgaengen auftritt, befand er sich vermutlich auf den Umsenkwerkzeugen, es sei denn, wir haben es zufaelligerweise mit einem 1877 verwendeten Arbeitsstempel fuer das Avers zu tun, der 1878 weiterverwendet wurde.
 
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Äußerst interessant.

Wie lange wurde ein Stempel damals benutzt? Warum hat JG 1787 A an der selben Stelle ein nicht komplettes " R" ? Das ist doch ein anderer..

Der Prägestempel ist hier bei der Diskussion nicht wichtig. Auch wie lange der Prägestempel gehalten mag, ist egal.

Es ist der Stempel (nennen wir ihn einfach Patrize), der die Prägestempel herstellt und einen Fehler hat. Du kannst mit einer Patrize etliche Prägestempel mit nahezu identischem Aussehen herstellen. Bei dieser verwendeten Patrize ist irgendwann während der Herstellung der Prägestempel (man nennt diesen Vorgang "Senken") ein Stück vom R abgebrochen. Stell dir eine Patrize einfach als Gegenstück eines Prägestempels vor. Die Oberfläche einer Patrize ist praktisch analog der einer Münze, dh. mit erhabenem Relief.

[...]Wenn derselbe Fehler bei mehregen Jahrgaengen auftritt, befand er sich vermutlich auf den Umsenkwerkzeugen, es sei denn, wir haben es zufaelligerweise mit einem 1877 verwendeten Arbeitsstempel fuer das Avers zu tun, der 1878 weiterverwendet wurde.

Der hier gezeigte Fehler spricht eher für eine Abnutzung an einer Patrize denn an einer Matrize.
 
Danke für die Erläuterung.

Dass so ein Mangel in der Patrizie bewusst übersehen wurde kann ich mir nicht vorstellen.

Qualitäts Kontrollen sind doch damals auch in hohen Maß gemacht worden.

Wie konnte sowas dennoch sein?
 
So etwas ist gar nicht so selten und passiert auch bei anderen Münzen. Ich denke es ist eher eine Frage der Kosten und des Aufwands. Ein paar haben es sogar bis in den Jaeger-Katalog gebracht. Zum Beispiel Nr. 29F oder auch 20 Heller Tabora 1916: N724 und N726.
 
Nach 1871 war die Stempelherstellung zwar durch den Einsatz von Reduziermazchienen und Punzenschon längst keine reine Handarbeit mehr, aber dennoch war der handarbeitliche Anteil an ihr wesentlich grösser als heute, so dass leichte Abweichungen keine Seltenheit waren. Besonders schön sieht man das bei den Kleinmünzen, bei denen es eine Vielzahl von Jahreszahlenvarianten gab. Bei den Grossmünzen wurde zwar sorgfältiger gearbeitet, ein paar Ausreisser von der Norm gibt es aber dennoch, Florian hat bereits eine genannt.

Die Frage , die sich stellt, lautet, ob so eine Abweichung unbemerkt einfach durchrutscht oder wissentlich geduldet wird. Für zweiteres gibt es neben den Kostengründen, die bereits genannt wurden noch die Frage des Termindrucks. Eine Stempelumarbeitung hätte die Ausgabe des bestellten Gebrauchsgegenstandes Zahlungsmittel verzögert. Auch die Unterbindung von Sammlerspekulationen kann ein Grund dafür sein, einen Fehler, der die Geldeigenschaft einer Münze nicht beinträchtigt, zu übersehen. J 162 ist ein gutes Beispiel. Ob Wilhelm oder Wilheim ; Feodora liebt ihn doch und ein Taler bleibt ein Taler.

Ganz selten treten Fehler auch heute auf. Diese Münze ist ein gutes Beispiel. Zwei Drittel der Auflage weisen ihn auf, erst nach einem halben Jahr Produktion wurde er bemerkt und dann einfach verbessert. Die Presse hatte was zu Schreiben , die Sammler freuten sich und kaum ein Jahr später verschwand das Nominal sowieso aus dem Umlauf.
50 Øre 2011 Revers Harley Davidson.JPG Detail 2011.JPG 50 Øre 2011 002.JPG
 
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Hallo,

Bei dem abgebrochenen R handelt es sich ganz sicher um ein Echtheitsmerkmal (was allerdings auch mitgefälscht werden kann).

Als ganz junger Sammler war dieses Stück meine erste große Anschaffung von meinem Wehrsold (damals noch aus dem Münzkabinett der Dresdner Bank). Als ich das Stück mit dem gebrochenen R dann genauer studierte und immer mehr über die hohe Fälschungsgefahr lernte ("über 90% falsch", "gerade Banken verkaufen Hausmann Nachprägungen") wurde ich sehr unsicher, Foren o.ä. gab es 1991 noch nicht.

Der leider viel zu früh verstorbene hannoveranische Münzhändler Rainer Bühnemann nahm mir die Bedenken und verwies mich an die Sammlung Egon Berkowitz, die als Dauerleihgabe bei der Stadtsparkasse Hannover im Safe liegt. Dort durfte ich mir dann ein Vergleichsstück anschauen, dass vor 1950 in die Sammlung aufgenommen wurde und auch ein abgebrochenes R zeigt. Damit war ich dann sicher und happy :). Den anderen Reichsgoldmünzen daneben (die Sammlung Berkowitz ist komplett!) haben mich damals noch nicht interessiert, das war unerreichbares Material.
 
Münzkabinett der Dresdner Bank

bei der Stadtsparkasse Hannover im Safe liegt. Dort durfte ich mir dann ein Vergleichsstück anschauen
Ja, das waren Zeiten als Banken und Sparkassen Reichsgold noch aktiv vor Ort entweder selbst verkauften oder zumindest dem Sammler zugänglich machen konnten, selbst wenn es nur das Fachsimpeln am Schalter war!

Sry für das frühe OT, aber bei manchen Beiträgen holt einen die Vergangenheit emotional ein!
 
Das stimmt, die Zeiten der Banken im Münzhandel sind lange vorbei, da waren wohl die Margen zu gering.

Das Münzkabinett der Dresdner Bank hat es dann nochmal privat versucht, bis 2005 auch hier der Hammer fiel. Ich denke, nach den ganzen Börsen Crashs und immobilienblasen wird die ein oder andere Bank das bereuen, der münzmarkt ist ja sehr gesund. Immerhin ist ein Gigant wie Degussa ja wieder in das Geschäft eingestiegen...
 
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