Kaiser Wilhelm unterwegs im hohen Norden

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Diesen Beitrag hatte ich 2016 schon einmal in der ersten Auflage unseres Spieles veröffentlicht. Aus gegebenem Anlass stelle ich ihn hier noch einmal unter einem anderen Titel und mit einem etwas anderen Schwerpunkt ein:

Sommer, das bedeutete zwischen 1888 und 1914 an der norwegischen Küste, dass der deutsche Kaiser kam. Fast jedes Jahr bereiste Wilhelm die westnorwegischen Fjorde und den Norden des Landes. Sobald die kaiserliche Yacht den Kieler Förde verlassen hatte, wurde die Kaiserstandarte eingeholt. Willem war inkognito unterwegs, so gut das eben ging mit gut einem Dutzend Marinefahrzeugen als Eskorte im Schlepptau.
Die Orte, die Wilhelm besuchte, konnten sich him Glanz der Aufmerksamkeit einer ganzen Welt erfreuen. Inländische und ausländische Zeitungen berichteten über die Kaiserbesuche. Wilhem war als einer der mächtigsten und reichsten Männer Europas ein Medienstar und jede Kutschfart ein Presseereignis.
Die Norweger mochten Wilhelm. Nicht nur kam mondäner Glanz in verschlafene Orte, die Besuche des deutschen Kaisers lockten bald eine ganze Armada von deutschen Kreuzfahrttouristen an, die in den Fusspuren ihres Kaisers wandelten. So waren die Besuche des Kaisers ein Katalysator für die Entwicklung des Tourismus, ein wirtschaftlicher Faktor, der bis heute von Bedeutung ist.
So seltsam es für uns heute klingt, sogar in der norwegischen Sozialdemokratie war Wilhelm beliebt. Die Entlassung Bismarks, die Aufhebung der Sozialistengesetzte, die Förderung von sozialen Massnahmen, all dies wurde in einem Land, in dem Arbeitslosenversicherung, Altersrente und Krankenvesicherung bis in die 30er Jahre Fremdworte waren, als Ausdruck einer fortschrittlichen und sozialbewusten Gesinnung gesehen. Wilhelm im Urlaub, das war bei aller Etikette auch ein an den einfachen Dingen des Alltags interessierter Mann, der sich nicht scheute, beim Besuch einer Suppenküche am selben Tisch mit Handwerkern Eintopf zu essen und Bier zu trinken.
Auch politisch war Wilhelms regelmässige Präsenz in Norwegen nicht gleichgültig. Die Norweger registrierten sehr wohl, dass es ihr Land war, das Wilhelm bereiste und nicht etwas das ungeliebte Bruderland Schweden, mit dem Norwegen in einer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend als bedrückend empfunden Union verbunden war. Wilhems Anwesenheit stärkte das nationale Selbstbewusstsein der Norweger. Als der Kaiser 1890 Kristiania besuchte, jubelte ihm eine ganze Stadt zu . Seinem Gastgeber, Oscar II, der in Norwegen den Titel «König von Norwegen und Schweden « führte, war die Beliebtheit seines Besuches zwar unangenehm, doch musste er gute Miene zum schlechten Spiel machen. Ein gutes Verhältnis zu Deutschland konnte im Ernstfall Schutz vor Russland bedeuten. Der Norweger, die Oscar ohnehin nicht mochte ,konnte man notfalls mit eigenen Kräften Herr werden.
Wilhelm selbst nahm die Norweger als eigenes Volk vermutlich nicht wahr, in seinen Tagebüchern finden sich die Worte « Norwegen « und « Norweger « kein einziges Mal. Mental befand Wilhelm sich in den Sommermonaten auf Nordlandfahrt, in einem mythischen Land, in dem die Welt der Sagas Realität war und die Menschen, denen er begegnete , hatten die Funktion Prototypen eines germanischen Urvolkes, dessen Wesensart als bewundernswert galt, zu sein.
Heute erinnert wenig an die Anwesenheit des deutschen Kaisers in Norwegens Fjorden. Eine Statue für den Sagahelden Fridtjov in einem Örtchen namens Vangsnes, eine Kaiser- Wilhelm- Strasse in Ålesund ( nebst Grillbar « Zum Kaiser « ), das war es auch schon. Lotsen, Erdbeerverkäufer, Kutscher, Kinder, die Gatter öffneten und von Wilhelm Geschenke erhielten sind längst verstorben. Auch das Übungsstück aus den Deutschbüchern der 60er Jahre, das schildert, wie Wilhelm sich damit abfinden muss, dass ein einheimischer Lotse sich von ihm nicht belehren lassen will, ist seit langem getilgt. Das Stück endet mit dem Satz: « An Bord dieses Schiffes sind Sie der erste Lotse. Wilhelm der Zweite «

Neulich kam nun diese Medaille auf den Kaiserbesuch in Christiania in meinen Besitz. Geschaffen wurde sie in der Königlichen Münze. Medailleur ist Ivar Throndsen, der damalige Graveur in Kongsberg und Nestor der norwegischen Medaillenkunst. Die Auflage scheint unbekannt zu sein, im Standardkatalog über Throndsens Werk stand nichts dazu. Die Medaille besteht aus " Britanniametall ", also aus etwa 92 % Zinn, 4 - 7 % Antimon und 1 - 3 % Kupfer. Bevor sich Aluminium als Werkstoff für Medaillen und Abzeichen durchsetzte, war dies die für diesen Gebrauch bevorzugte Legierung. Es soll auch Exemplare aus Bronze und aus Silber geben, dies ist also die Ausführung für die " gemeinen Massen ".
Bemerkenswert finde ich die Gestaltung von Wilhelms Portrait. Auf den ersten Blick dachte ich, es sri eine Überarbeitung von Weigands Arbeit von 1888 , doch bei näherer Betrachtung sieht man, dass Wilhelms Gesicht und der ganze Kopf bei Throndsen rundlicher gehalten sind.
Ich weiss nicht, ob sich das Slab finanziell gelohnt hat, in Hinblick auf die Konservierung dieses sicher recht empfindlichen Stückes, hat es auf jeden Fall seine Berechtigung.
 

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