Folgenden Artikel entdeckte ich bei EURAKTIV.de.
Hinter das Wort "Krisenwährung" in der Überschrift stelle ich mal in Gedanken ein Fragezeichen. Da ich diesen Text sehr informativ finde, habe ich ihn mal aus genannter Quelle hierhin kopiert. Vielleicht möchten sich ja einige von euch dazu äußern.
20 Jahre Euro – Jubiläum einer Krisenwährung
Von: Steffen Stierle | EURACTIV.de
7. Jan. 2019
Euro-Symbol vor der Zentralbank in Frankfurt. [shutterstock/canadastock]
Am 1. Januar jährte sich die Euro-Einführung zum zwanzigsten Mal. Wurde die Gemeinschaftswährung damals vielerorts enthusiastisch gefeiert, ist mittlerweile Ernüchterung eingekehrt.
Denn in den beiden zurückliegenden Dekaden hat sich gezeigt, mit welchen Schwierigkeiten ein Währungsverbund zu kämpfen hat, der solch unterschiedliche Volkswirtschaften aneinanderbindet, wie der Euro. Auch vor seiner Einführung gab es in der EU währungspolitische Kooperation. Etwa durch das Europäische Währungssystem (EWS), das die Währungen zwar aneinanderband, zugleich aber Spielräume für politisch beschlossene Auf- und Abwertungen ließ. Von dieser Möglichkeit wurde viel Gebrauch gemacht, so konnten die wirtschaftlichen Ungleichgewichte einigermaßen ausgeglichen werden.
Damit war vor zwanzig Jahren für elf Länder Schluss. Die Gründungsmitglieder der Eurozone führten die Gemeinschaftswährung als „Buchgeld“ ein. Die Europäische Zentralbank nahm ihre Arbeit auf. Scheine und Münzen kamen drei Jahre später hinzu. Seither sind sieben weitere Länder beigetreten. Zuletzt Lettland (2014) und Litauen (2015).
Die zweitwichtigste Währung der Welt
In seiner noch jungen Geschichte hat sich der Euro schnell zur zweitwichtigsten Währung der Welt gemausert. Heute ist er die Währung von 340 Millionen Europäern und 175 Millionen weiteren Menschen rund um den Globus. Rund 60 Länder nutzten den Euro als offizielles Zahlungsmittel oder haben ihre Währung an ihn gekoppelt. 19,9 Prozent der globalen Währungsreserven werden in Euro gehalten – Platz zwei hinter dem US-Dollar, der allerdings mit 63,8 Prozent weit vorne liegt.
„Die einheitliche Währung gehört zu den größten Erfolgsgeschichten Europas, an ihrer Bedeutung und Tragweite in den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens kann es keinen Zweifel geben“, sagte der heutige Eurogruppen-Chef Mario Centeno anlässlich des Jubiläums. Das nächste Kapitel dieser Geschichte müsse jedoch noch geschrieben werden, so der portugiesische Finanzminister weiter.
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker blickte anlässlich des Jubiläums auf die Zeit der Euro-Einführung zurück: „Als einziger noch politisch aktiver Unterzeichner des Vertrags von Maastricht erinnere ich mich an die zähen, doch wegweisenden Verhandlungen über die Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion. Insbesondere erinnere ich mich an unsere tiefe Überzeugung, dass wir ein neues Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte aufschlagen würden – ein richtungsweisendes Kapitel für die Rolle Europas in der Welt und die Zukunft all seiner Bürger. Nach zwanzig Jahren bin ich heute davon überzeugt, dass dies die wichtigste Unterschrift meines Lebens war.“
Ungleichgewichte in der Eurozone
Doch während der Euro als globale Währung im Verlauf der letzten 20 Jahre immer bedeutender wurde, sind im Inneren enorme wirtschaftliche Ungleichgewichte zutage getreten. Nach dem Wegfall der Abwertungsoption sind die Unterschiede in Wirtschaftsstruktur und Wettbewerbsfähigkeit voll durchgeschlagen. Immer weiter liefen Überschüsse und Defizite auseinander. Immer größer wurden die Widersprüche zwischen Export- und Binnenmarktökonomien. Immer weiter stiegen die Schuldenstände der Defizitländer. Spätestens als 2010 das erste Rettungspaket für Griechenland geschnürt wurde war klar: Der Euro steckt in der Krise.
In den folgenden Jahren sah es nicht immer so aus, als würde die Währungsunion die turbulenten Zeiten überleben. Doch sie erwies sich als zäh. Zahlreiche milliardenschwere Rettungspakete wurden gepackt, Institutionen wir der Rettungsschirm ESM wurden aus dem Boden gestampft, die EZB senkte den Leitzins auf null und pumpte Monat für Monat neue Milliarden in die Märkte um selbige zu stabilisieren. Banken wurden gestützt und wirtschaftliche Anpassungsprogramme wurden aufgelegt. 2018 war das Jahr, in dem der Euro wieder in ruhigere Fahrwasser gelangte. Das letzte Rettungspaket ist ausgelaufen und die EZB hat die Trendwende zur Normalität eingeleitet. Kein einziges Mitgliedsland hat den Euro verlassen.
Doch überwunden sind die Probleme noch lange nicht. Die sozialen Kosten der Rettungspakete in Ländern wie Griechenland und Portugal waren enorm. Die Zustimmungswerte zur Euro-Mitgliedschaft haben mancherorts historische Tiefstände erreicht. Euro-kritische Parteien sind im Aufwind. Noch immer laufen die geldpolitischen Interessen zwischen süd- und nordeuropäischen Euroländern konträr. Im Euro-Finanzmarkt schlummert weiterhin ein riesiger Berg fauler Kredite. Die Schuldenberge einiger Mitgliedsstaaten sind weiterhin groß. Wie stabil der Euro ohne die stützenden Maßnahmen der EZB ist, muss sich erst noch zeigen.
Die große Reform ist ausgeblieben
Vielfach wurde daher angemahnt, die gegenwärtige Ruhe für grundlegende Reformen zu nutzen. Zahlreiche Ideen hierfür wurden debattiert. Die EU-Kommission schlug eine Stabilisierungsfunktionund die Überführung des Fiskalpaktes in die EU-Verträge vor. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lancierte die Idee eines Euro-Finanzministers und eines Euro-Budgets. Die deutsche Bundesregierung forderte mehr Haushaltsdisziplin, eine strengere Überwachung der Defizitländer und eine Reduzierung der Risiken im Finanzsektor. Italien pocht derweil auf mehr gemeinsame Haftung, etwa bei der Einlagensicherung und der Abwicklung maroder Banken.
Doch die verschiedenen Vorschläge sind so konträr wie die Interessen der Protagonisten. Entsprechend zäh verliefen die Verhandlungen in der Eurogruppe. Der große Wurf blieb am Ende aus. Für viele Beobachter war es überraschend, dass man sich Ende 2018 überhaupt auf eine Reform verständigen konnte, wenn auch nur auf eine kleine. So wird es wohl einen begrenzten Backstop geben, der die Bankenunion stärkt. Außerdem erhält der Rettungsfonds ESM zusätzliche Befugnisse. Mehr sei mit Berlin nicht zu machen gewesen, kritisieren viele Regierungsvertreter anderer Euroländer.
„Wir sind nicht zufrieden“, machte etwa Spaniens Premierminister Pedro Sánchez nach dem Euro-Gipfel im Dezember deutlich. Die Entscheidungen gingen zwar „in die richtige Richtung“, seien aber „unvollständig und nicht ausreichend“. Ähnlich äußerte sich auch Juncker: „Ich habe den Eindruck, dass wir vorankommen – aber nicht schnell genug“, sagte der Luxemburger.
So dürfte es kaum jemanden überraschen, wenn die Eurokrise in den nächsten Jahren erneut um sich greift. Denkbare Ausgangspunkte gibt es genug. Ob die europäische Gemeinschaftswährung zwanzig weitere Jahre überstehen wird, ist ungewiss.
Quelle und weitere Informationen: 20 Jahre Euro – Jubiläum einer Krisenwährung
Hinter das Wort "Krisenwährung" in der Überschrift stelle ich mal in Gedanken ein Fragezeichen. Da ich diesen Text sehr informativ finde, habe ich ihn mal aus genannter Quelle hierhin kopiert. Vielleicht möchten sich ja einige von euch dazu äußern.
20 Jahre Euro – Jubiläum einer Krisenwährung
Von: Steffen Stierle | EURACTIV.de
7. Jan. 2019
Euro-Symbol vor der Zentralbank in Frankfurt. [shutterstock/canadastock]
Am 1. Januar jährte sich die Euro-Einführung zum zwanzigsten Mal. Wurde die Gemeinschaftswährung damals vielerorts enthusiastisch gefeiert, ist mittlerweile Ernüchterung eingekehrt.
Denn in den beiden zurückliegenden Dekaden hat sich gezeigt, mit welchen Schwierigkeiten ein Währungsverbund zu kämpfen hat, der solch unterschiedliche Volkswirtschaften aneinanderbindet, wie der Euro. Auch vor seiner Einführung gab es in der EU währungspolitische Kooperation. Etwa durch das Europäische Währungssystem (EWS), das die Währungen zwar aneinanderband, zugleich aber Spielräume für politisch beschlossene Auf- und Abwertungen ließ. Von dieser Möglichkeit wurde viel Gebrauch gemacht, so konnten die wirtschaftlichen Ungleichgewichte einigermaßen ausgeglichen werden.
Damit war vor zwanzig Jahren für elf Länder Schluss. Die Gründungsmitglieder der Eurozone führten die Gemeinschaftswährung als „Buchgeld“ ein. Die Europäische Zentralbank nahm ihre Arbeit auf. Scheine und Münzen kamen drei Jahre später hinzu. Seither sind sieben weitere Länder beigetreten. Zuletzt Lettland (2014) und Litauen (2015).
Die zweitwichtigste Währung der Welt
In seiner noch jungen Geschichte hat sich der Euro schnell zur zweitwichtigsten Währung der Welt gemausert. Heute ist er die Währung von 340 Millionen Europäern und 175 Millionen weiteren Menschen rund um den Globus. Rund 60 Länder nutzten den Euro als offizielles Zahlungsmittel oder haben ihre Währung an ihn gekoppelt. 19,9 Prozent der globalen Währungsreserven werden in Euro gehalten – Platz zwei hinter dem US-Dollar, der allerdings mit 63,8 Prozent weit vorne liegt.
„Die einheitliche Währung gehört zu den größten Erfolgsgeschichten Europas, an ihrer Bedeutung und Tragweite in den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens kann es keinen Zweifel geben“, sagte der heutige Eurogruppen-Chef Mario Centeno anlässlich des Jubiläums. Das nächste Kapitel dieser Geschichte müsse jedoch noch geschrieben werden, so der portugiesische Finanzminister weiter.
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker blickte anlässlich des Jubiläums auf die Zeit der Euro-Einführung zurück: „Als einziger noch politisch aktiver Unterzeichner des Vertrags von Maastricht erinnere ich mich an die zähen, doch wegweisenden Verhandlungen über die Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion. Insbesondere erinnere ich mich an unsere tiefe Überzeugung, dass wir ein neues Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte aufschlagen würden – ein richtungsweisendes Kapitel für die Rolle Europas in der Welt und die Zukunft all seiner Bürger. Nach zwanzig Jahren bin ich heute davon überzeugt, dass dies die wichtigste Unterschrift meines Lebens war.“
Ungleichgewichte in der Eurozone
Doch während der Euro als globale Währung im Verlauf der letzten 20 Jahre immer bedeutender wurde, sind im Inneren enorme wirtschaftliche Ungleichgewichte zutage getreten. Nach dem Wegfall der Abwertungsoption sind die Unterschiede in Wirtschaftsstruktur und Wettbewerbsfähigkeit voll durchgeschlagen. Immer weiter liefen Überschüsse und Defizite auseinander. Immer größer wurden die Widersprüche zwischen Export- und Binnenmarktökonomien. Immer weiter stiegen die Schuldenstände der Defizitländer. Spätestens als 2010 das erste Rettungspaket für Griechenland geschnürt wurde war klar: Der Euro steckt in der Krise.
In den folgenden Jahren sah es nicht immer so aus, als würde die Währungsunion die turbulenten Zeiten überleben. Doch sie erwies sich als zäh. Zahlreiche milliardenschwere Rettungspakete wurden gepackt, Institutionen wir der Rettungsschirm ESM wurden aus dem Boden gestampft, die EZB senkte den Leitzins auf null und pumpte Monat für Monat neue Milliarden in die Märkte um selbige zu stabilisieren. Banken wurden gestützt und wirtschaftliche Anpassungsprogramme wurden aufgelegt. 2018 war das Jahr, in dem der Euro wieder in ruhigere Fahrwasser gelangte. Das letzte Rettungspaket ist ausgelaufen und die EZB hat die Trendwende zur Normalität eingeleitet. Kein einziges Mitgliedsland hat den Euro verlassen.
Doch überwunden sind die Probleme noch lange nicht. Die sozialen Kosten der Rettungspakete in Ländern wie Griechenland und Portugal waren enorm. Die Zustimmungswerte zur Euro-Mitgliedschaft haben mancherorts historische Tiefstände erreicht. Euro-kritische Parteien sind im Aufwind. Noch immer laufen die geldpolitischen Interessen zwischen süd- und nordeuropäischen Euroländern konträr. Im Euro-Finanzmarkt schlummert weiterhin ein riesiger Berg fauler Kredite. Die Schuldenberge einiger Mitgliedsstaaten sind weiterhin groß. Wie stabil der Euro ohne die stützenden Maßnahmen der EZB ist, muss sich erst noch zeigen.
Die große Reform ist ausgeblieben
Vielfach wurde daher angemahnt, die gegenwärtige Ruhe für grundlegende Reformen zu nutzen. Zahlreiche Ideen hierfür wurden debattiert. Die EU-Kommission schlug eine Stabilisierungsfunktionund die Überführung des Fiskalpaktes in die EU-Verträge vor. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lancierte die Idee eines Euro-Finanzministers und eines Euro-Budgets. Die deutsche Bundesregierung forderte mehr Haushaltsdisziplin, eine strengere Überwachung der Defizitländer und eine Reduzierung der Risiken im Finanzsektor. Italien pocht derweil auf mehr gemeinsame Haftung, etwa bei der Einlagensicherung und der Abwicklung maroder Banken.
Doch die verschiedenen Vorschläge sind so konträr wie die Interessen der Protagonisten. Entsprechend zäh verliefen die Verhandlungen in der Eurogruppe. Der große Wurf blieb am Ende aus. Für viele Beobachter war es überraschend, dass man sich Ende 2018 überhaupt auf eine Reform verständigen konnte, wenn auch nur auf eine kleine. So wird es wohl einen begrenzten Backstop geben, der die Bankenunion stärkt. Außerdem erhält der Rettungsfonds ESM zusätzliche Befugnisse. Mehr sei mit Berlin nicht zu machen gewesen, kritisieren viele Regierungsvertreter anderer Euroländer.
„Wir sind nicht zufrieden“, machte etwa Spaniens Premierminister Pedro Sánchez nach dem Euro-Gipfel im Dezember deutlich. Die Entscheidungen gingen zwar „in die richtige Richtung“, seien aber „unvollständig und nicht ausreichend“. Ähnlich äußerte sich auch Juncker: „Ich habe den Eindruck, dass wir vorankommen – aber nicht schnell genug“, sagte der Luxemburger.
So dürfte es kaum jemanden überraschen, wenn die Eurokrise in den nächsten Jahren erneut um sich greift. Denkbare Ausgangspunkte gibt es genug. Ob die europäische Gemeinschaftswährung zwanzig weitere Jahre überstehen wird, ist ungewiss.
Quelle und weitere Informationen: 20 Jahre Euro – Jubiläum einer Krisenwährung